Korruptions-Saga
KHG und die BUWOG-Affäre: Worum geht's da nochmal?
Anfang der 2000er war er der Shootingstar der heimischen Politik: Karl-Heinz Grasser. Finanzminister, Emporkömmling aus Jörg Haiders "Buberlpartie", danach beinahe Ziehsohn von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel.
"Mr. Nulldefizit", für den ein guter Tag "mit einem sanierten Budget" begann und der stets "mehr privat, weniger Staat" forderte, wusste, sich zu inszenieren. "KHG" polarisierte und bewegte die Menschen. Auch im Ausland war der "Schwiegersohn der Nation" gefeiert wie kein anderer österreichischer Politiker bis zum Aufstieg von Sebastian Kurz.
Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) vor der Budgetrede im Nationalrat 2001.
Doch Grasser sollte stolpern – über sich und seine Freunde. Was dann ans Licht kam, war die wohl größte und langwierigste Korruptions-Saga in der Zweiten Republik, die BUWOG-Affäre.
Ende in Sicht
Vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) beginnt am Donnerstag die Berufungsverhandlung. Vier Tage lang wird über die eingelegten Rechtsmittel verhandelt. Dann steht vielleicht fest, ob Grasser in Haft muss und ob die Urteile für seinen Trauzeugen und Lobbyisten Walter Meischberger und den teilgeständigen Ex-Lobbyisten Peter Hochegger halten.
Bis dahin und vielleicht darüber hinaus gilt für alle die Unschuldsvermutung.
Video: Der BUWOG-Prozess rund um Grasser einfach erklärt
Wie sieht die Zukunft von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser aus? Gefängniszelle oder neuer Prozess? Der Oberste Gerichtshof (OGH) befasst sich mit dem Urteil in der BUWOG-Affäre – dem größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik. PULS 24 Redakteur Lukas Raithofer fasst über 20 Jahre zusammen.
Der Anfang vom Ende
Um zu verstehen, worüber in den kommenden Tagen entschieden wird, muss man über 20 Jahre in die Vergangenheit schauen. Zur Vereinfachung werden im Folgenden Nebenstränge wie die Causa um den Linzer Terminal Tower oder die "Schwarzen Kassen" der Telekom Austria ausgelassen.
Im Jahr 2004 verkaufte die Republik unter Finanzminister Grasser die "Bauen und Wohnen GmbH" (BUWOG): Ein Paket von 60.000 Wohnungen ging um 961 Millionen Euro an ein "Austro Konsortium" (u.a. Immofinanz, Wiener Städtische, Raiffeisen Landesbank OÖ).
Grasser, Immofinanz Chef Karl Petrikovics und der GD der Wiener Staedtischen Guenter Geyer unterschreiben am 4. Juli 2004 den Abtretungsvertrag für die Bundeswohnungen.
In dem verdeckten Bietverfahren unterlag die CA Immo mit ihrem Gebot von 960 Millionen Euro. Knapp eine Milliarde Euro und die Gebote liegen so knapp beieinander? Schwer vorstellbar. Der Rechnungshof sollte 2007 dann kritisieren, dass die Immobilien deutlich zu billig verkauft wurden.
Durch Zufall ans Tageslicht
Das Ganze wäre wohl auch im Verborgenen geblieben. Doch in der Finanzkrise rutschte eine recht kleine Bank, die Constantia Privatbank, in die Pleite. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden bei Hausdurchsuchungen bei der Immofinanz dubiose Zahlungen in Höhe von 9,6 Millionen Euro an den Lobbyisten Peter Hochegger entdeckt: ein Erfolgshonorar für die BUWOG-Privatisierung, das über eine Briefkastenfirma in Zypern abgewickelt wurde.
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Hochegger und Meischberger erstatteten Selbstanzeige, weil sie das Geld nicht versteuert hatten. Kurz später zeigte die Grünen-Abgeordnete Gabriela Moser unter anderem Grasser, Hochegger und Meischberger wegen Korruptionsverdacht an.
Grasser bei seiner Hochreit am 22. Oktober 2005 mit seinem Trauzeugen Walter Meischberger.
Jahrelange Ermittlungen
Danach sollten jahrelange, teils schleppende, Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft folgen. Unzählige Hausdurchsuchungen, Rechtsstreitigkeiten um die Auslieferung von Akten aus Liechtenstein und der Schweiz folgten.
Knapp sieben Jahre später erhebt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Juli 2016 Anklage gegen Grasser, Meischberger, Hochegger und mehr als ein Dutzend weitere Verdächtige. Mit etwa 800 Seiten Anklageschrift wurden die Vorwürfe untermauert.
168 Prozesstage
Im Dezember 2017 startete dann der Monsterprozess unter großem Medieninteresse. Der Schöffensenat unter der Vorsitzenden Marion Hohenecker sollte drei Jahre lang an 168 Prozesstagen gut 150 Zeugen befragen. Das Verhandlungsprotokoll brachte es auf 16.000 Seiten.
Dann tanzte der erste Angeklagte rasch aus der Reihe. Hochegger bekannte sich zu Prozessbeginn teilschuldig und belastete die anderen Angeklagten massiv.
Ex-Lobbyist Peter Hochegger am 15. Dezember 2017 im Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht.
2018, am 38. Verhandlungstag, wurde dann auch eines von 3.600 abgehörten Telefonaten "endlich" Thema, das bis dahin schon Kult-Rang erreicht hatte: Meischbergers "Wo woar mei Leistung?"
Die Frage ging an den ebenfalls angeklagten Immobilienmakler und Grasser-Freund Ernst Plech und bezog sich auf eine 700.000-Euro-Provision rund um ein Immobilien-Projekt im 9. Bezirk in Wien. Im Prozess versuchte Maischberger klarzustellen, dass es nicht darum ging, was er getan habe, sondern wo im Rahmen des Projekts.
Urteil
Am 4. Dezember 2020 folgte dann das Urteil: Grasser wurde wegen Untreue, Beweismittelfälschung und illegaler Geschenkannahme zu acht Jahren Haft verurteilt. Strafverteidiger an seiner Seite: Manfred Ainedter und Norbert Wess (letzterer hat nun René Benko als prominentesten Mandanten).
"Sie sehen mich heute traurig, schockiert und erschrocken", sagte Grasser nach dem Urteil. "Ich weiß, dass ich unschuldig bin".
Grasser und sein Anwalt Manfred Ainedter nach der Urteilsverkündung am 4. Dezember 2020.
Meischberger fasste sieben Jahre Haft aus und Hochegger wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Grasser und die anderen Verurteilten gingen in Berufung.
Im Jänner 2022 lag das Urteil dann schriftlich vor: Richterin Hohenecker begründete es auf 1.300 Seiten. 2023 blitzen Grasser und vier weitere Angeklagte beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ab – sie argumentierten mit der vermeintlichen Befangenheit der Richterin, weil sich ihr Ehemann in alten Twitter-Nachrichten abfällig über Grasser geäußert habe.
Grassers Zukunft vor den Höchstrichtern
Am 20. März 2025 startet das Berufungsverfahren am OGH. Da wird über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Betroffenen entschieden. Dafür eingeplant sind vier Verhandlungstage bis zum 25. März.
Einen kleinen "Spoiler", was zu erwarten ist, gab die Generalprokuratur im Mai des vergangenen Jahres. Mit ihrer Stellungnahme zum Urteil berät sie das Höchstgericht, das sich dann auch meistens daran hält. Sie empfahl, die erstinstanzlichen Schuldsprüche im Kern zu bestätigen und nicht an den zentralen Punkten zu rütteln.
In wenigen Tagen könnte der OGH das Urteil bestätigen. Dann würde das Oberlandesgericht über die Strafhöhe entscheiden. Oder das Urteil wird teilweise oder ganz aufgehoben und dann entsprechend neu verhandelt.
Es könnte also sein, dass eine der größten Korruptions-Possen nun ins Staffelfinale einbiegt. Ob dann noch eine Staffel folgt oder die Serie endgültig zu Ende geht, entscheiden die Höchstrichter.
Zusammenfassung
- Für Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser können die kommenden Tage entscheiden, wie seine Zukunft aussieht. Gefängniszelle oder neuer Prozess?
- Der Oberste Gerichtshof (OGH) befasst sich mit dem Urteil in der BUWOG-Affäre - dem größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik.
- Um zu verstehen, was von den Höchsrichtern entschieden wird, muss man mehr als 20 Jahre zurück blicken.