Van der Bellen "will das so nicht hinnehmen", aber keine Neuwahlen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich am Donnerstagnachmittag erstmals zu den Vorwürfen gegen die ÖVP. Der Schaden sei enorm, es brauche eine Generalsanierung.

"Eigentlich hab ich gehofft, dass mein erstes Statement nach der Wahl andere Inhalte haben wird", begann Bundespräsident Van der Bellen seine Rede. Das Vertrauen in die Demokratie werde erschüttert. Das "kann und will ich so nicht hinnehmen", meinte der Präsident.

"Substanz der Demokratie" erreicht

"Viele Menschen wenden sich mit Schaudern von der Politik ab", das verstehe er. "Das darf doch alles nicht wahr sein", finde er selbst und bezeichnete die Entwicklung rund um die Chats als "Wasserschaden", der "die Substanz des Gebäudes" erreicht habe und an die "Substanz der Demokratie" gehe. Es brauche eine "Generalsanierung". Es liege in Van der Bellens Aufgabenbereich, das sicherzustellen.

Korruptions-Verdacht entkräften 

"Korruption ist ein lähmendes Gift", meinte der Präsident. "Wenn Menschen in unserem Land auch nur den Eindruck bekommen, dass man es sich richten kann, etwa seine Steuerangaben, wenn auch nur der Eindruck entsteht, Politiker handeln auf Kosten der Gemeinschaft, dann muss es im größten Interesse des Kanzlers und der Regierung sein, diesen Eindruck zu entkräften." Damit spielt Van der Bellen auf die Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und August Wöginger an. 

"Partei kritisch hinterfragen"

Die unabhängige Justiz genieße seine volle Rückendeckung, es gehe aber nicht nur um die rechtliche Dimension. Es gehe auch um Vertrauen. Für die kommenden Wochen forderte der Präsident Maßnahmen, um das Vertrauen wieder herzustellen. Man müsse "die eigene Partei kritisch hinterfragen" und Konsequenzen ziehen. 

"Werde keine Ruhe geben"

Er selbst wolle nun "zügig" Gespräche mit den politisch Verantwortlichen führen. "Ich werde keine Ruhe geben, bis das Vertrauen wieder hergestellt ist."

Auf die Journalisten-Frage, ob Wolfgang Sobotka eine Belastung für die Republik sei, erwiderte der Präsident, dass das "eine Sache des Nationalrats sei", er wolle sich dazu nicht äußern. Neuwahlen, so der Bundespräsident, erachte er nicht als dringend notwendig. Sie seien Sache des Parlaments. Stattdessen sollte die Regierung unter Einbindung der Opposition vorbeugende Maßnahmen gegen Korruption treffen. 

NEOS fordern "Taten" 

In einer ersten Reaktion auf die Rede auf Twitter freut sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, "dass der Bundespräsident ebenfalls sieht, dass es nun Taten braucht". Sowohl Problem als auch Lösungen lägen auf dem Tisch. 

Politikberater Peter Plaikner zur ÖVP-Korruptionskrise: Situation ist "demokratiegefährdend"

Die ganze Rede im Wortlaut: 

ribbon Zusammenfassung
  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich am Donnerstagnachmittag erstmals zu den Vorwürfen gegen die ÖVP. Der Schaden sei enorm, es brauche eine Generalsanierung.
  • Das "kann und will ich so nicht hinnehmen", meinte der Präsident. "Viele Menschen wenden sich mit Schaudern von der Politik ab", das verstehe er.
  • "Korruption ist ein lähmendes Gift", jeglicher dahingehender Verdacht müsse entkräftet werden, spielte Van der Bellen auf Nationalratspräsident Sobotka an.
  • Es gehe um Vertrauen, man müsse "die eigene Partei kritisch hinterfragen" und Konsequenzen ziehen. Sofortige Neuwahlen sieht der Präsident nicht als notwendig an.