Berufspflicht für Ärzte rechtlich umstritten
Die Überlegung, Medizinern nach ihrem Studium eine gewisse Zeit lang eine Art Berufspflicht aufzuerlegen, war von mehreren Seiten gekommen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte darüber ebenso sinniert wie der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).
Stögers Gutachten zeigt nun Grenzen auf. Denn entsprechende Regelungen würden etwa mit Grundrechten wie der freien Berufswahl und der Erwerbsfreiheit kollidieren. Auch sei von einer Gleichheitswidrigkeit auszugehen, wenn nur Ärztinnen und Ärzte einer gesetzlichen Arbeitsverpflichtung unterworfen würden, da auch andere Sparten unter Fachkräftemangel litten, dort aber keine Pflicht vorgesehen sei.
Ferner gäbe es gelindere Mittel, um die Personalsituation im öffentlichen Gesundheitssystem zu verbessern. Solche wären laut Gutachten etwa eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den öffentlichen Spitälern, eine Attraktivierung des kassenärztlichen Bereichs, aber auch Einschränkungen im Wahlarzt-System oder Studienkreditmodelle.
"Was gezeigt werden musste, wurde nun gezeigt: Jegliche berufliche Zwangsverpflichtungen von Ärzten sind nicht nur verfassungswidrig, sondern widersprechen auch EU-Recht. Ich hoffe sehr, dass damit die Zwangsphantasien der Politik und Gesundheitsökonomie in Österreich endlich abgestellt sind", sagte dazu der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, Harald Mayer in einer Aussendung. "Die Medizinstudium-Absolventen zur Zwangsarbeit zu verpflichten, zeigt, wie unkreativ und realitätsfern die Politik ist. Wehret den Anfängen: Denn als nächstes wird jeder, der rechnen und schreiben kann, als Lehrer verpflichtet!"
Zurückhaltend äußerte sich Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). Zur Umsetzung der Berufspflicht gebe es verschiedene Rechtsmeinungen, sagte er am Rande einer Pressekonferenz. "Wir werden an der Sache dranbleiben, die rechtlichen Prüfungen laufen gerade." Derzeit sei es noch zu früh, um einschätzen zu können, wie der Vorschlag einer Berufspflicht umgesetzt werden könne. "Über Details kann man jetzt noch nicht sprechen."
Auch Hacker zeigte sich am Mittwoch eher zurückhaltend. Er glaube, die Diskussion werde "ein bisschen überbewertet". Die Verpflichtung sei nur ein Aspekt, es brauche eine Abrüstung der Worte und eine "vernünftige Diskussion um eine Gesamtreform", meinte er im Ö1-"Mittagsjournal", ohne allzu konkret zu werden. In Wien würden die Menschen keine Kassenärzte mehr finden, sagte er zur Expertenmeinungen, wonach es genügend Ärzte, aber eine schlechte Verteilung dieser gebe. Man müsse auch darüber nachdenken, wie sauber diese Statistiken sind - denn dort würden etwa auch pensionierte Ärzte einfließen, so der Gesundheitsstadtrat.
Zusammenfassung
- Die Ärztekammer erteilt politischen Überlegungen, Ärzte nach Abschluss ihres Studiums zum Dienst in öffentlichen Spitälern oder Kassenpraxen zu verpflichten, eine Absage.
- Dazu hat man sich nun ein Gutachten des Medizinrechtlers Karl Stöger erstellen lassen, das mehreren Zeitungen zur Verfügung gestellt wurde.
- Dessen Succus: eine gesetzlich angeordnete Berufspflicht würde gegen Verfassung und EU-Recht verstoßen.