Außenminister Schallenberg besucht Hostomel und Irpin
Als Österreicher müsse man sich vergegenwärtigen, dass dies "alles in unmittelbarer Nachbarschaft" geschehen sei, wenige Zugstunden von Wien entfernt.
"Es zeigt auch etwas, wie wir vorher am Flughafen gesehen haben, wie massiv sich die Russische Föderation, allen voran Wladimir Putin, verkalkuliert hat." Die russischen Truppen hätten tatsächlich gedacht, dass "sie mit Brot und Salz empfangen werden und dass nicht auf sie geschossen wird". Das zeige, wie heldenhaft sich die Ukraine verteidigt habe, aber auch, dass es nie etwas Schönes im Krieg gebe, "Krieg ist grauenhaft, Krieg ist Tod, Krieg ist Zerstörung", so der Außenminister.
Geschichten aus der Stadt
Der Bürgermeister von Irpin, Oleksandar Markuschin, erzählte den Außenministern, dass 95 Prozent der Einwohner von Irpin, einer Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern während der Kampfhandlungen die Gemeinde verlassen hätten. Mittlerweile seien wieder 75 Prozent der Bewohner zurückgekehrt. "Wenn wir die Schlacht von Irpin nicht gewonnen hätten, wäre es zu Kämpfen in Kiew gekommen", so Markuschin. An Schallenberg richtete er die Bitte, beim Wiederaufbau behilflich zu sein, denn über 100 Gebäude in der Stadt, darunter Schulen und Kindergärten, sowie zahlreiche Wohngebäude seien komplett zerstört worden. Schallenberg versprach zu helfen, "um den Menschen, wo möglich, wieder Perspektive zu geben".
Vom Krieg getroffen
In Hostomel wurde der internationale Fracht- und Werksflughafen am ersten Tag des Angriffskrieges von russischen Landetruppen eingenommen, wenige Stunden später eroberten ihn die Ukrainer zurück. Bei den Kämpfen, im Zuge derer der Flughafen wieder in die Hände Russlands fiel, wurden große Teile der Infrastruktur zerstört, aber ebenso auch das einzige flugfähige Exemplar der Antonow An-225 - sie war das weltweit längste Flugzeug und der Stolz der ukrainischen Luftfahrt. Beim Lokalaugenschein sind viele zerstörte Lagerhallen zu sehen, ein Kommandant erklärte dabei den Außenministern den Ablauf der Kampfhandlungen.
Eigentlich war die Reise in die Ukraine im sogenannten Slavkov-Format (Österreich, Tschechien, Slowakei) geplant, der slowakische Außenminister Ivan Korcok musste aber kurzfristig wegen einer Corona-Erkrankung absagen.
Zweite Reise Schallenbergs
Kurz vor Ausbruch des Krieges sei er mit seinen Amtskollegen aus Tschechien und der Slowakei in Kiew gewesen, sagte Schallenberg während der Reise vor Journalisten. Damals hätte es noch die Hoffnung auf Diplomatie gegeben. "Keine zwei Wochen später kam es zum brutalen Zivilisationsbruch, den wir offen gestanden damals nicht für möglich gehalten haben", so der Außenminister.
"Es geht um die Frage, gilt das Gesetz des Dschungels oder gilt eine regelbasierte Ordnung. Wir brauchen eine Welt, wo das Völkerrecht gilt, wo Rechtsstaatlichkeit gilt, wo das Prinzip Pacta sunt servanda gilt, wo nicht das Gesetz des Stärkeren gilt", betonte Schallenberg. Womit der russische Präsident Wladimir Putin sicher nicht gerechnet habe, sei die starke Einigkeit in Europa, zeigte sich der Außenminister überzeugt.
Österreichs Rolle
Österreich helfe als neutraler Staat vor allem humanitär, etwa mit 80 Millionen Euro an finanzieller Unterstützung. "Allein 980 Tonnen an Hilfsgütern haben wir per Lkw in die Ukraine gebracht und wir waren der erste europäische Staat, der eine Luftbrücke aus Moldawien eingerichtet hat, für Vertriebene", betonte der Außenminister.
Pressekonferenz des Außenministers
80.000 ukrainische Flüchtlinge hätten Zuflucht in Österreich gefunden, Österreich habe zudem 38 Feuerwehr- und Rettungsautos zur Verfügung gestellt. "Diese Hilfsleistung wird nicht enden. Wir werden weiter der Ukraine solidarisch zur Seite stehen. Wir werden dieses Land - so es wieder möglich ist - wieder aufbauen", so Schallenberg.
Diese Reise sei jedenfalls "ein klares Zeichen der Solidarität aus Zentraleuropa, dass die Slavkov-3 geschlossen auftreten", denn die drei Staaten seien auch unter den vier Staaten, die am meisten ukrainische Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen hätten, so Schallenberg. "Das Ziel ist, dass Putin nicht gewinnt. Es ist Putin nicht gelungen, die Ukraine zu zerstören, es ist ihm nicht gelungen, den Westen zu teilen", sagte Schallenberg.
Putins Kolonialisierungsversuch
Der tschechische Außenminister ergänzte, dass sein Land die Ukraine weiter militärisch unterstützen werde und es das Ziel sei, dass die Ukraine den Krieg gewinne. "Tschechien war 40 Jahre lang im russischen Orbit und wir wollen nicht wieder unter russischen Einfluss geraten", betonte Lipavsky.
Hinweis: Das Interview wurde auf Englisch geführt.
Man müsse nur hinhören, was Putin sage, er klinge zwar wie ein Verrückter, doch meine er das ernst. Putin wolle die "Ukraine wieder kolonialisieren" und die tschechische Haltung sei daher ganz klar: "Wir unterstützen die Ukraine so viel wie nur möglich", so Lipavsky.
Zusammenfassung
- Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und der tschechische Außenminister Jan Lipavsky Kiew sind am Mittwoch zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj in Kiew eingetroffen.