Arbeiterkammer fordert Lösungen für "Care-Krise"
Anderl zeigte sich bei einer Pressekonferenz "genervt", dass der Equal Pay Day sich Jahr für Jahr nur um wenige Tage verschiebe. Der heurige Wert von 17 Prozent liege auch weniger an einer Verbesserung, sondern daran, dass im Berechnungsjahr 2020 durch die coronabedingte Kurzarbeit Männer um Überstundenentgelte umgefallen und näher an die Fraueneinkommen herangerückt sind, betonte sie.
Die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern ließen sich nur dann verringern, wenn es für bezahlte Care-Arbeit - also Arbeit in der Kinderbildung, Pflege und dem Sozialbereich - besser Bezahlung und Rahmenbedingungen gibt. Derzeit erhält man hier einen durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von 13,70 Euro, in technischen Berufen sind es 20,10, wie AK-Ökonomin Katharina Mader vorrechnete. Anderl forderte hier einen Kurswechsel, Care-Arbeit sei "die Grundlage für unser soziales Zusammenleben" und wir alle seien in unterschiedlichen Phasen unseres Lebens auf solche Leistungen angewiesen.
Gleichzeitig forderte sie eine Entlastung aller Frauen von unbezahlter Care-Arbeit (Kinderbetreuung, Pflege Angehöriger, Haushalt). Dass diese immer noch als weibliche Aufgabe gesehen werden, führe u.a. dazu, dass jede zweite Frau teilzeitbeschäftigt ist, bei Müttern mit Kindern unter 15 sind es drei Viertel. Väter arbeiten laut AK-Ökonomin Mader unterdessen im Schnitt sogar mehr als Männer ohne Kinder. Laut der aktuellsten Zeitverwendungsstudie 2008/09 verwenden wiederum Frauen pro Woche 32 Stunden für unbezahlte Care-Arbeit, Männer nur knapp 18. Insgesamt werden zwei Drittel der unbezahlten Care-Arbeit von Frauen erbracht. EU-weit können 7,7 Mio. Frauen wegen ihrer Care-Aufgaben nicht arbeiten gehen, so Mader.
"Wenn wir den Gender Pay Gap nachhaltig schließen wollen, müssen wir zuerst die Care-Krise lösen. Frauen müssen entlastet und die Berufe, in denen sie vorwiegend tätig sind, besser bezahlt werden", betonte Anderl. Das Beispiel Wien zeigt für sie den Handlungsspielraum der Politik: So finde in Wien, wo es bessere Kinderbetreuungsangebote und viele öffentlich Bedienstete gibt, der Equal Pay Day etwa heuer erst drei Wochen nach dem bundesweiten statt.
Anderl forderte von der Regierung eine langfristige und nachhaltige Finanzierung von Care-Berufen durch die öffentliche Hand. Nur so könnten in diesen von Personalmangel betroffenen Branchen gute Arbeitsplätze entstehen und dadurch Frauen von unbezahlter Arbeit entlastet werden. Nötig sei eine bessere Entlohnung, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und mehr Personal für stabile Dienstpläne sowie Ausbildungen mit existenzsichernden Stipendien.
Außerdem im Forderungskatalog: Ein Rechtsanspruch auf flächendeckend verfügbare und leistbare Kinderbetreuung und Langzeitpflege, echte Lohntransparenz innerhalb der Betriebe und das von AK und ÖGB erarbeitete Familienarbeitszeitmodell, bei dem es finanzielle Unterstützung gibt, wenn beide Eltern sich die Familienarbeit in einem ähnlichen Ausmaß aufteilen.
Zusammenfassung
- Frauen verdienen in Österreich um 17 Prozent weniger als Männer, ab dem 30. Oktober arbeiten sie damit statistisch gesehen bis zum Jahresende gratis.
- Berücksichtigt man auch Teilzeitbeschäftigte, verdienen Männer sogar um 36 Prozent mehr.
- Für Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl muss das Ziel sein, gleiches Gehalt für Frauen und Männer zu erreichen und den Equal Pay Day abzuschaffen.