Staatsbegräbnis für diesen U-Ausschuss statt Dauer-Farce
Sebastian Kurz kam, sah und zog siegessicher seine Show ab. Seine Befragung wurde zum Lehrstück für die Ohnmacht der Abgeordneten gegenüber der Arroganz der Macht - selbst, wenn diese längst außer Dienst ist.
Im Zentrum des Interesses der Befragung stand Kurz’ Rolle bei der fatalen Russengas-Strategie der OMV, dessen Beziehungen zu Putin-Geschäftsfreunden und persönlichen Gönnern.
Der jüngste Altkanzler und die ÖVP-Abgeordneten versuchten jede einschlägige Frage mit einer Doppelstrategie auszubremsen. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger & Co zettelten gebetsmühlenartig bei jeder Frage eine Geschäftsordnungsdebatte über deren Zulässigkeit an. Wurde diese ab und an doch zugelassen, antwortete Kurz langatmig aber substanzlos - das alles von einem ÖVP-Abgeordneten als Ausschuss-Vorsitzendem meist widerspruchslos geduldet.
Vorhang zu, alle Fragen offen
Fünf Stunden Netto-Frage & Anwort-Zeit enden so nach dem Motto von Marcel Reich-Ranicki: "Wir sehen betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen." Die ÖVP trieb an diesem Tag ein zynisches Powerplay an die Spitze, das auch andere Parteien bei Bedarf beherrschen. Wer immer gerade an der Regierung ist und damit U-Ausschuss-Objekt wird, setzt oft ohne Rücksicht auf Verluste auf diese Zermürbungsstrategie.
Ziel ist allein diese Abfolge des öffentlichen Gemütszustands: Erst genervt, dann gelangweilt, schlussendlich die Ohren nur noch auf Durchzug geschaltet. Motto: Nur ein toter U-Ausschuss ist ein guter U-Ausschuss.
Die Wege für einen nachhaltigen Ausweg aus dieser Misere liegen auf der Hand.
Transparenz-Turbo 1: Aufklärungsprofis statt Polit-Agenten
Solange allein politische Mandatare im Ausschuss sitzen, läuft dieser Gefahr zur verlängerten Werkbank der parteipolitischen Auseinandersetzung zu verkommen - statt zur staatspolitisch notwendigen Aufklärung beizutragen.
Die besten Fragen im Ibiza-Ausschuss, sagten selbst ÖVP-Mandatare unter vier Augen, stellte mit Helmut Brandstätter ein Neos-Abgeordneter, der zugleich Journalist war und ist.
Warum sitzen im ÖVP-Korruptions-Ausschuss – zumindest nicht zusätzlich – keine Aufklärungsprofis, ohne Parteibindung aber mit allen Fragerechten? Erfahrene Investigativ-Journalisten und Korruptions-Fachleute gibt es auch hierzulande zuhauf.
In jedem Parlamentsausschuss werden Experten zu Rate gezogen. Ausgerechnet beim heikelsten Instrument der Volksvertretung bleiben die Mandatare unter sich. Dass der Verfahrensrichter zu Beginn pflichtgemäß ein paar Aufwärmfragen stellen kann, ersetzt eine Besetzung des Kontrollgremiums mit Top-Profis in Sachen Aufklärung nicht.
Sie bieten mit ihrer Präsenz und ihrem Know-How zudem die Chance, das lähmende parteipolitische Spiel aus Mauern und Hölzel-Werfen auch für alle Beteiligten endgültig lächerlich zu machen.
Transparenz-Turbo 2: Unabhängiger Richter als U-Ausschuss-Vorsitzender
Die derzeitigen Spielregeln machen den Parlamentspräsidenten zum Ausschuss-Vorsitzenden. Dieser steht, auch wenn er nicht Wolfgang Sobotka heißt, immer unter Verdacht parteiisch zu sein.
Der Ausschuss-Vorsitz kann zwar den ihm zugeordneten Verfahrensrichter, einen Top-Juristen a.D., zu Rate ziehen, muss aber nicht dessen Rat folgen. Warum diesen oft rumpeligen und unfallgefährdeten Umweg gehen? Statt eines Politikers sollte ein ehemaliger oder aktiver unabhängiger Richter den Vorsitz führen. Er ist allein den Spielregeln verpflichtet - ohne durch ein parteiliches Über-Ich verführbar zu sein.
Transparenz-Turbo 3: Live-Übertragung als Bremse für Verweigerer & Vernebler
Last but not least: Alle U-Ausschuss-Sitzungen sollten live in TV und im Internet übertragen werden. Je mehr Augen zuschauen, desto höher ist die Schamgrenze für arrogante Auskunfts-Verweigerer und durchsichtige Vernebelungstaktierer.
Neustart statt Dauer-Farce
Denn was derzeit im ÖVP-Korruptions-Ausschuss geboten wird, ist eine Farce: Für diejenigen, die überhaupt noch hinschauen und hinhören, wird bei jeder U-Ausschuss-Sitzung mehr denn je vorgeführt, wie ohnmächtige Abgeordnete an der Arroganz der Macht scheitern. Und sich frustrierte Mandatare gelegentlich im Gegenzug mit Dauerhäme und persönlichen Untergriffen an Auskunftspersonen zu rächen suchen. Es spricht daher alles dafür, diesen Ausschuss rasch zu Ende zu bringen und alle Energie in einen Neustart zu stecken. Neue Player, neue Spielregeln und mehr Zuseher bei der demokratischen Kontrolle der Macht können nur eine Besserung bringen. Das ist zur Ehrenrettung des Parlaments überfällig – auch im Interesse jener couragierten Abgeordneten, die im totgelaufenen ÖVP-Korruptions-Ausschuss nimmermüde weiter ihr Aufklärungsglück versuchen.
Josef Votzi ist Journalist und Kolumnist des Magazin "Trend": Seine wöchentliche Kolumne "Politik Backstage" jeden Freitag neu auf trend.at
Zusammenfassung
- Der ÖVP-Korruptions-Ausschuss ist tot. Es lebe ein U-Ausschuss mit neuen Playern und schärferen Zähnen. Plädoyer für einen Neustart in drei Akten.