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500 Tote "Resultat europäischer Migrationspolitik", so Seawatch

Die NGO Seawatch ist nicht überrascht von dem Bootsunglück mit hunderten Toten im Mittelmeer. Es sei das Resultat verfehlter Migrationspolitik. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger erklärt, wie man das Sterben im Mittelmeer verhindern könnte.

Nach einem tragischen Bootsunglück vor Griechenland werden über 500 tote Geflüchtete befürchtet. Inzwischen gibt es keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden. 

Für Felix Weiß, Sprecher der NGO "Seawatch" ist die Katastrophe keine Überraschung, sondern eine Konsequenz der Migrationspolitik der Mittelmeeranrainerstaaten und Europäischen Union, "die in den letzten Jahren aktiv auf Abschreckung und Absetzung gesetzt hat". Dazu zähle etwa die Finanzierung der libyschen und tunesischen Küstenwache, die dafür sorge, dass Menschen "gegen ihren Willen und gewaltvoll" in diese Länder zurückgebracht werden. 

Seawatch: "Unsere Arbeit sollte überflüssig sein"

Kritik an Zusammenarbeit mit Libyen 

Für die Zusammenarbeit mit Libyen wurde die EU zuletzt sogar von der UNO kritisiert. In einem Bericht wurden weitreichende Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung und vor allem gegen Migrant:innen in Libyen dokumentiert. 

In den Haftanstalten unter der Kontrolle der Küstenwache und anderer staatlicher Einrichtungen würden Menschen gefoltert, erpresst, vergewaltigt und ermordet, andere würden wie Sklav:innen verkauft und teils sexuell ausgebeutet - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. "Diese Einrichtungen erhielten technische, logistische und finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, unter anderem für das Abfangen und die Rückführung von Migranten", heißt es in dem UNO-Bericht.

Menschen sich selbst überlassen

Im Mittelmeer selbst glänzen die Mittelmeerstaaten und auch die EU mit Abwesenheit, kritisiert Weiß auf PULS 24. "Es gibt keinerlei staatliche Seenotrettung", betont er. "Und die Rettungsaktionen von NGOs werden massiv behindert." 

Seawatch selbst sei zwar noch am Mittelmeer präsent, aber könne nicht mehr so arbeiten, wie es noch in den Jahren 2017 oder 2018 möglich gewesen sei. Besonders die rechte Regierung Italiens unter Giorgia Meloni setze auf die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung. Es gäbe "ganz klares Kalkül, um NGO-Schiffe aus dem Einsatzgebiet fernzuhalten." Dazu zähle etwa, die Beschränkung von Einsätzen oder das Zuweisen weit entfernter Häfen. 

Die aktuelle Katastrophe im Mittelmeer ist für Seawatch keine Überraschung. "Wir sprechen alle halbe Jahre über ein Bootsunglück", kritisiert Weiß. "Aber es ändert sich nichts am Status, dass Menschen überhaupt auf solche Boote steigen müssen." Die Europäische Union müsse außerdem gemeinsam mit den Anrainerstaaten eine "staatliche Seenotrettung" gründen. "Wir springen nur da ein, wo staatliche Organe versagen", so Weiß.

Legale Fluchtrouten

Auch die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger kritisiert das europäische Migrationssystem. Die aktuelle Politik werde durch illegale Pushbacks aufrechterhalten. "Grund- und Freiheitsrechte werden nicht mehr gewahrt", sagt sie im PULS 24 Gespräch. Dort müsse man auch ansetzen, bevor man über eine Reform des Systems nachdenke. 

"Das wichtigste, um irreguläre Migration zu verhindern, wäre legale Fluchtmöglichkeiten zu schaffen", erklärt sie. 

"Es braucht legale Fluchtrouten", so Kohlenberger

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger spricht bei PULS 24 über die europäische Migrationspolitik.

ribbon Zusammenfassung
  • Die NGO Seawatch ist nicht überrascht von dem Bootsunglück mit hunderten Toten im Mittelmeer. Es sei das Resultat verfehlter Migrationspolitik.
  • Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger erklärt, wie man das Sterben im Mittelmeer verhindern könne.