Mehr als jeder Dritte will nicht neben Muslimen leben
In der repräsentativen Befragung wurden die Einstellungen der österreichischen Bevölkerung abgefragt. Etwa zehn Prozent zeigen demnach klar rechtsextreme Einstellungen, sagte DÖW-Leiter Andreas Kranebitter bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Aber auch sonst zeigen sich bedenkliche Haltungen: 36 Prozent gaben an, nicht neben Muslimen leben zu wollen.
"Vehementes, demokratiepolitisches Problem"
Für das Barometer wurden im April und Mai 2024 2.198 Personen vom Institut marketagent online befragt. Anhand der Zustimmung zu mehreren Aussagen, etwa "Unser Volk ist den anderen Völkern von Natur aus überlegen" oder "Ich wünsche mir einen starken Mann an der Spitze dieses Landes, der sich nicht um ein Parlament kümmern muss", wurden die Befragten in jene mit "ausgeprägt rechtsextremen Einstellungen" und jene ohne unterteilt. Das Barometer soll künftig alle zwei Jahre erneut erstellt werden.
Damit wollte man die "Nachfrage-Seite" untersuchen, also "was ist das gesellschaftliche Potenzial, im negativen Sinne, für das rechtsextreme Angebot" wie etwa rechtsextreme Medien, erläuterte Kranebitter.
Auf das "Angebot" werde dann im in Bälde präsentierten Rechtsextremismus-Bericht eingegangen. "Man darf Rechtsextremismus in Österreich nicht unterschätzen. (...) Rechtsextremismus ist ein vehementes, demokratiepolitisches Problem."
Zu viel Gleichberechtigung und "verweichlicht"
Von jenen mit klar rechtsextremen Einstellungen befinden etwa 29 Prozent, die Gleichberechtigung gehe in Österreich mittlerweile zu weit. Mehr als die Hälfte meint (53 Prozent), zu viele Menschen würden ein "verweichlichtes" Leben führen. Ebenso beinahe die Hälfte dieser Gruppe (49 Prozent) sieht Österreich als "Teil einer deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft".
In ihrer Gesamtheit betrachtet würden die Studienergebnisse keinen Anlass für Alarmismus geben, sagte Kranebitter. Aber auch in der Gesamtbevölkerung gebe es bedenkliche Entwicklungen, meinte Kranebitter. So würden 36 Prozent keine Muslime als Nachbarn wollen, 38 Prozent nicht neben Roma oder Sinti leben.
16 Prozent würden auch nicht neben Transgenderpersonen, zehn Prozent neben Juden und Jüdinnen leben wollen. Dass man kein guter Österreicher sein könne, wenn man Österreich kritisiert, befinden 32 Prozent. Für 35 Prozent treffe das auch zu, wenn man Österreich nicht verteidigen würde.
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Hälfte der Österreicher für "umfassende Remigration"
Abgefragt wurde auch, ob eine "umfassende Remigration", wie von rechten und rechtsextremen Parteien gefordert, nötig sei. Das bejahen 70 Prozent jener mit rechtsextremer Einstellung, aber auch 50 Prozent der Gesamtbevölkerung. 29 Prozent der Gesamtbevölkerung finden außerdem, Muslimen sollte die Zuwanderung untersagt werden.
Gewachsen sei auch der israelbezogene Antisemitismus. So finden etwa 42 Prozent der Bevölkerung, "Israels Politik in Palästina ist wie die der Nazis im Zweiten Weltkrieg" - eine Aussage, "die durchaus unter das Verbotsgesetz fallen könnte", so Kranebitter. Derzeit bekomme man oft das Gefühl, rechter und rechtsextremer Antisemitismus würde nicht existieren, so der DÖW-Leiter, "und das halten wir für falsch. Das zeigt auch das Barometer, dass das nicht der Fall ist."
Jeder Dritte glaubt an Inszenierung der Corona-Pandemie
Bedenklich lesen sich auch die Ergebnisse der Befragung zu Verschwörungstheorien. Dem Barometer zufolge stimmen 51 Prozent der Aussage zu, die Bevölkerung werde von Medien "systematisch belogen". Fast ebenso viele (47 Prozent) denken, geheime Organisationen hätten einen großen Einfluss auf die Politik. 29 Prozent glauben, die Corona-Pandemie wurde inszeniert, um die Gesellschaft grundlegend umzubauen.
Würden nur jene Menschen zur Wahlurne schreiten, die das DÖW als Personen mit klar rechtsextremen Haltungen einstuft, hätten die Freiheitlichen die absolute Mehrheit. 58 Prozent dieser Gruppe würde die FPÖ wählen. Auf Platz zwei wäre die SPÖ mit 17 Prozent, gefolgt von der ÖVP mit elf.
Als zweite Partei von diesem Szenario profitiert hätte laut dem Barometer die Bierpartei, die bei sechs Prozent landen würde, vor NEOS (4), Grünen (3) und KPÖ (2). "Das heißt aber nicht, dass sämtliche Wähler der FPÖ als rechtsextrem einzustufen sind, und umgekehrt nicht, dass alle Rechtsextremen die FPÖ wählen", betonte Kranebitter.
Zusammenfassung
- Das neue Rechtsextremismus-Barometer des DÖW zeigt, dass 10 Prozent der Österreicher klar rechtsextreme Einstellungen haben, während 36 Prozent nicht neben Muslimen leben wollen.
- Eine umfassende Remigration wird von 70 Prozent der rechtsextrem eingestuften Personen befürwortet, und 29 Prozent der Gesamtbevölkerung wollen Muslimen die Zuwanderung untersagen.
- Besorgniserregend ist auch, dass 51 Prozent der Bevölkerung glauben, die Medien würden sie systematisch belügen, und 42 Prozent vergleichen Israels Politik mit der der Nazis.