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Zwischen Wien und New York: Erinnerungen von Peter Marboe

Wer Peter Marboe begegnet, würde nie auf die Idee kommen, dass der agile, umfassend interessierte und stets gesprächsbereite Ex-Diplomat und -Kulturpolitiker mittlerweile 82 Jahre alt ist. Wer seine nun erschienenen Erinnerungen liest, kommt daher aus dem Staunen nicht heraus: Auf fast 300 Seiten erzählt er in allen Details von einer vielseitigen und herausfordernden Karriere zwischen Wien und New York, die bis ins Kabinett von Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) zurückreicht.

Das Buch, das er, musikalisch begleitet von seiner Tochter Anna Mabo, am Sonntag im Wiener Rabenhof Theater vorstellt, trägt den Titel "Mehr Kultur in der Politik" und ist jenem Motto entlehnt, mit dem er sich im November 1996 als neuer Wiener Kulturstadtrat vorstellte: "Weniger Politik in der Kultur, mehr Kultur in der Politik" war eine Kampfansage gegen das bisherige Amtsverständnis als "Ideologieressort" und wurde auch von seiner Vorgängerin Ursula Pasterk so interpretiert. Die folgenden atmosphärischen Störungen und die keineswegs reibungslose Amtsübergabe zählen zu den wenigen kritischen Passagen über Wegbegleiter und Kontrahenten, die sich im Buch finden lassen. Zweimal greift Marboe da zum Mittel eines "Gegenchecks", indem er seine eigenen Wahrnehmungen jener Zeit mit Passagen aus den Erinnerungen von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) vergleicht. Die beiden Macher-Typen verstanden einander über Parteigrenzen hinweg.

Zu diesem Zeitpunkt der Karriere, als Peter Marboe sich anschickt, in der Wiener Kulturpolitik viele neue Aspekte (wie mehrjährige Förderverträge, eine Theaterreform inkl. neuem Theaterpreis, Vorantreiben von Restitutionsfragen und aktives Ansprechen österreichischer Emigrantinnen und Emigranten) einzubringen und alte Vorhaben (wie das Holocaust-Mahnmal von Rachel Whiteread am Judenplatz) endlich umzusetzen, hat man als Leser bereits 200 Seiten hinter sich. Und hat sich mehr als einmal die Frage gestellt, ob man das alles wirklich sooo genau wissen habe wollen. Marboe verfügt über ein phänomenales Gedächtnis - oder umfangreiche Aufzeichnungen - und zählt gefühlt auch alle Mitschüler und Lehrer auf, die seinen Lebensweg beeinflusst haben.

Zu betonen, dass er aus einer christlichen und humanistischen Werten verpflichteten Familie kommt, ist Marboe - der als Autor mit einem C. auf seinen zweiten Vornamen Christoph verweist - ebenso wichtig wie die Weltoffenheit und Kulturverbundenheit, die ihm quasi in die Wiege gelegt wurde. Sein Vater Ernst Marboe, der an einem Herzinfarkt starb, als Peter 15 Jahre alt war, gründete die Austria Wochenschau, war Co-Drehbuchautor des Films "1. April 2000" (bei dem der kleine Peter statieren durfte) und holte als Leiter der Österreichischen Bundestheaterverwaltung Herbert von Karajan an die Staatsoper. Doch die schon frühe enge Verbundenheit zur ÖVP war nicht nur väterlicherseits gegeben: Der legendäre Bundeskanzler Leopold Figl war der gern gesehene "Onkel Leopold", da dessen Gattin und Peter Marboes Mutter Cousinen waren. Josef Klaus wurde väterlicher Freund und früher Förderer des jungen Juristen, der beim Wehrdienst direkt vom Exerzieren im Kasernenhof zum Telefon gerufen wurde: Ein Anruf des Bundeskanzlers! Eine der vielen Anekdoten in dem Buch (manche wird gleich zweimal erzählt) und ein erster kulturpolitischer Auftrag.

Aus der von Marboe auf Klaus' Bitte nach dem Vorbild des British Council entworfenen Österreichischen Nationalstiftung wird zwar schließlich wegen Kreiskys Wahlsieg 1970 in der Folge doch nichts - aber Peter Marboes Karriere zwischen Diplomatie und Kultur, Wien und New York ist unaufhaltsam. Im Kabinett von Josef Klaus, im Bundespressedienst, als Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in New York, als Leiter der Auslandskultur, als Kulturstadtrat und als Intendant des Mozartjahres - überall scheint Peter Marboe in seiner Aufgabe aufzugehen und schildert voll Begeisterung seine Begegnungen mit unzähligen spannenden Persönlichkeiten. Seine Zeit als Hauptgeschäftsführer der ÖVP kommt dabei nicht ganz so enthusiastisch weg - und bei Schwarz-Blau und der Waldheim-Affäre beweist Marboe Rückgrat gegen die Parteilinie.

Am Ende ist man sehr beeindruckt - und ein wenig erschöpft. Peter Marboe scheint indes Blut geleckt zu haben. Er hat schon ein weiteres Buchprojekt vor Augen: Briefe an berühmte Namensvettern. Erste kleine Kostproben, etwa an Peter Turrini, Peter Zadek, Peter Stein oder den Heiligen Petrus, hat er bereits eingebaut.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Peter C. Marboe: "Mehr Kultur in der Politik. Erinnerungen", Böhlau Verlag, 296 Seiten, 47 farb. Abb., 33 Euro, Buchpräsentation mit Live-Musik von Anna Mabo am Sonntag, 10. November, 20 Uhr, Rabenhof Theater, Wien 3, Rabengasse 3)

ribbon Zusammenfassung
  • Peter Marboe, ein ehemaliger Diplomat und Kulturpolitiker, hat mit 82 Jahren seine Erinnerungen in einem Buch veröffentlicht, das fast 300 Seiten umfasst und seine vielseitige Karriere von Wien bis New York beschreibt.
  • Die Buchpräsentation findet am 10. November im Wiener Rabenhof Theater statt, wobei das Buch für 33 Euro erhältlich ist und von Live-Musik begleitet wird.