Zillertaler "Würsteloper": Zerbröckelnde Wiener Würstelwelt
Die Welt, bei der "Würsteloper" symbolisiert durch einen altehrwürdigen Wiener Würstelstand, schien nur zu Beginn des Stücks gewissermaßen in Ordnung zu sein. "Österreichische Verhältnisse" feierten dort fröhliche Urständ und wurden garniert mit einer gehörigen Prise Korruption, Konservativismus und mehr als einem Hauch toxischer Männlichkeit. Um all das abzuhandeln und zu thematisieren brauchte Hirzenberger eigentlich recht wenig: Einen Würstelstandbesitzer, einen Baulöwen, einen Politiker, eine Ex-Pressesprecherin und eine Migrantin.
Um diese Rollen herum entspann sich eine absurdkomische Geschichte, wie sie sich in Österreich wohl besonders gut schreiben lässt. Rund um einen prestigeträchtigen Neubau und den dort im Weg stehenden Naturschutz taten sich wahre Abgründe auf. Da wären etwa gewesen: Eine fehlende Unterschrift von politischer Seite, um dem Bau grünes Licht zu geben und diesen damit kreativ zu "beschleunigen", Machtgeilheit, Schlitzohrigkeit und nur scheinbare Naivität auf so mancher Seite.
In diese "österreichische" Welt der Intrigen und Machtspiele - Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Polit-Umständen sind im Stück definitiv beabsichtigt - platzten Zeitgeist-Fragen wie etwa Transgender, Veganismus, Migration oder die sich immer schwieriger gestaltende Frage nach der eigenen Identität. Ebenjene war im Endeffekt nur mehr damit beantwortbar, dass wir unsere "Schweinskultur" - also die heimische Liebe zu Schweinsbraten & Co - unbedingt bewahren müssen.
Das Ensemble spielte und sang sich dabei regelrecht um Kopf und Kragen. Die Emotionen waren besonders tief empfunden, die Gewalt möglichst drastisch dargestellt und die Figuren waren insgesamt fratzenhaft überzeichnet, sodass das aus nicht viel mehr als einem Würstelstand bestehende Bühnenbild filmische Züge gewann. Sämtliche Schauspieler agierten in diesem nicht unschwierigen Setting brillant: Sowohl Valentin Frantsits als findiger "Karli", Peter Pertusini als schmieriger Baumagnat, Nikolaus Firmkranz als situationselastischer und im Kern doch stockkonservativer Politiker sowie Karolin Troger als Ex-Presssprecherin Betty und nicht zuletzt Juli Augscheller als Migrantin Delilah, die die Würstelstandwelt gehörig auf den Kopf stellte.
Am Ende war klar: So wie es war und ist, wird es sicher nicht bleiben. Womöglich wird das Frankfurter Würstel nicht mehr lange die Krone der Wurstschöpfung bleiben und auch die Wiener Würstelstandwelt in Richtung Veganismus tendieren. Zum Schluss des Stücks stand eine eindringliche Bitte: "Finde deine Mitte, bitte." Eine Bitte, die sich vielleicht damit deuten ließe, dass uns ein wenig zen-buddhistische Gelassenheit in all dem Irrsinn der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gut täte.
Unabhängig davon, wie das Publikum das in der restlos ausverkauften "Tenn" auslegen mochte, hagelte es euphorischen Applaus für die an der "Würsteloper" beteiligten Personen. Hirzenberger und die Hauptdarsteller durften sich zudem laute und zahlreiche Bravo-Rufe abholen.
(Von Markus Stegmayr/APA)
(S E R V I C E - "Würsteloper" von Hakon Hirzenberger. Regie: Hakon Hirzenberger, Bühne: Gerhard Kainzner, Kostüme: Andrea Bernd, Musik: Matthias Jakisic. Mit Valentin Frantsits (Würstelstandbesitzer Karli, Karl Wawruschka), Peter Pertusini (Sandro Billinger, Immobilienhai), Nikolaus Firmkranz (Max Hang, Politiker), Karoline Troger (Betty Tier, ehemalige Pressesprecherin von Max), Julia Augscheller (Delilah, Migrantin). Weitere Vorstellungen: 27., 28., 29. Juni, 3., 4., 5., 6., 10., 11., 12. und 13. Juli. https://theaterfestival-steudltenn.com)
Zusammenfassung
- Das Theaterstück 'Würsteloper' von Hakon Hirzenberger feierte am Donnerstagabend seine Premiere beim Theaterfestival 'Steudltenn' in Uderns.
- Das Stück thematisiert die Wiener Würstelstandverhältnisse und konfrontiert sie mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Transgender, Veganismus und Migration.
- Das Publikum im ausverkauften 'Tenn' reagierte mit euphorischem Applaus und Bravo-Rufen auf die herausragenden Leistungen der Schauspieler.