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Wiens weiter Wasserweg: Doku zu 150 Jahre Hochquellenleitung

Wer in Wien den Hahn aufdreht, bekommt sauberes, kaltes Trinkwasser serviert. Grund dafür ist ein bautechnisches Wunderwerk, das dieser Tage sein 150-Jahr-Jubiläum feiert. Was Cholera und Weltausstellung, kommunalpolitischer Hickhack und historische Fake News mit dessen Entstehung zu tun haben, davon erzählt die neue Doku "Wasser für die Kaiserstadt - Die Wiener Hochquellenleitung" - mit Erwin Steinhauer als Guide. Zu sehen am 25. Oktober, 22.30 Uhr, in ORF 2.

Obwohl schon eineinhalb Jahrhunderte auf dem Buckel, bringt die Erste Wiener Hochquellwasserleitung immer noch das begehrte Nass auf einer Trasse von fast 100 Kilometern Länge von den Voralpen in die Hauptstadt. Eingeweiht wurde der in nur vier Jahren erbaute Wasserweg, der vom Schneeberg-Rax-Gebiet bis zum Rosenhügel führt, am 24. Oktober 1873 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph. An diesem Tag schoss zum ersten Mal eine Fontäne aus dem Hochstrahlbrunnen am Wiener Schwarzenbergplatz - gewissermaßen das Startsignal für die Inbetriebnahme der Hochquellenleitung.

Regisseur Thomas Macho fokussiert in seiner gut 50-minütigen und durch Interviews mit Stadt- und Medizinhistorikern angereicherten Doku nicht auf die Baugeschehnisse, etwa den mühseligen Vortrieb ins Gestein oder die aufwendige Errichtung der über 30 Aquädukte und Talquerungen, sondern konzentriert sich auf die historischen Rahmenbedingungen im 19. Jahrhundert, die schließlich in der Entscheidung für die Umsetzung mündeten. Wie so oft bei epochalen Maßnahmen, stand am Anfang eine Katastrophe: Anfang der 1830er-Jahre suchte die Cholera die Residenzhauptstadt - sie galt mit ihren von Unrat, Fäkalien und Tierkadavern verschmutzten Bächen als ungesündeste Metropole Europas - heim, forderte zig Opfer und führte zu drastischen Quarantänemaßnahmen, die von Teilen der Bevölkerung als "hygienischer Terrorismus" verunglimpft wurden und mit Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen später wieder zurückgenommen wurden.

"Erinnert uns das an etwas?", erinnert Erwin Steinhauer die Zuschauer an augenscheinliche Parallelen zur Coronapandemie. Der beliebte Schauspieler gibt an den diversen Schauplätzen nicht nur den stets adrett gekleideten kulturhistorischen Reisebegleiter, sondern schlüpft in der Doku auch noch in die Rollen einiger maßgeblicher Proponenten, die für den Bau trotz kommunalpolitischer Kleingeisterei, Wissenschaftsskepsis und Fake News eines eigeninteressengetriebenen Zeitungsherausgebers kämpfen - darunter der Jurist und Politiker Cajetan Felder, der Geologe und spätere Leitungsplaner Eduard Suess und der Mediziner Josef von Skoda. Sie versuchten, die Entscheidungsträger, allen voran den Wiener Gemeinderat, von den ursächlichen Zusammenhängen zwischen Cholera und Wasserqualität zu überzeugen. Vertonte Sitzungsprotokolle, laut derer ein Mandatar die Durchfallattacken eines Kollegen mit den Kochkünsten der Gattin herleitet, geben Einblicke in das Debattenniveau im Stadtparlament.

1866 wird das Vorhaben am Ende einer zweitägigen Marathonsitzung dann endlich mit einer knappen Mehrheit beschlossen. Drei Jahre später beginnt der Bau. Als klar wird, dass die Kaisermetropole im Jahr 1873 die Weltausstellung ausrichten wird, wird das Projekt zum Wettlauf gegen die Zeit, denn den honorigen Gästen aus aller Welt wollte man das verseuchte Wiener Wasser nicht zumuten. Nicht nur, dass sich die Fertigstellung bis zur Eröffnung am 1. Mai nicht ausging, suchte kurz danach eine letzte Choleraepidemie die Stadt und ihre internationalen Besucher heim. Nichtsdestotrotz habe die Erste Hochquellenleitung der Seuche den Garaus gemacht und letztlich zum Aufstieg der Stadt maßgeblich beigetragen, so das Resümee der Dokumentation. Heute liefert sie gut rund die Hälfte des benötigten Wiener Trinkwassers. Den Rest übernimmt das 1910 fertiggestellte Pendant, das Quellen im Hochschwabgebiet anzapft. Kann sein, dass mancher Zuseher oder manche Zuseherin beim nächsten Aufdrehen des Wasserhahns an die mühselige Genese des Megabaus denkt.

(S E R V I C E - "Wasser für die Kaiserstadt - Die Wiener Hochquellenleitung" von Thomas Macho und mit Erwin Steinhauer als Erzähler; Ausstrahlung am Mittwoch, 25. Oktober 2023, 22.30 Uhr, ORF 2, Wiederholung am 26. Oktober, 13.10 Uhr, ORF 2)

ribbon Zusammenfassung
  • Wer in Wien den Hahn aufdreht, bekommt sauberes, kaltes Trinkwasser serviert.
  • Was Cholera und Weltausstellung, kommunalpolitischer Hickhack und historische Fake News mit dessen Entstehung zu tun haben, davon erzählt die neue Doku "Wasser für die Kaiserstadt - Die Wiener Hochquellenleitung" - mit Erwin Steinhauer als Guide.
  • Zu sehen am 25. Oktober, 22.30 Uhr, in ORF 2.
  • Heute liefert sie gut rund die Hälfte des benötigten Wiener Trinkwassers.