"Verlobung im Kloster" als Versuch im Musiktheater
Prokofjews 1941 geschriebenes Werk geriet kurz nach seiner Uraufführung in die stalinistische Formalismusdebatte, ging unter und wurde erst in den 80ern wieder aufgenommen. Die in der Sowjetunion verfasste und in Spanien spielende komische Oper basiert auf einer englischen Komödie des 18. Jahrhunderts, die Anklänge an der italienischen Commedia dell'Arte nahm und nun also im Österreich des Jahres 2025 inszeniert wird.
Musik als Stärke
Dass "Die Verlobung im Kloster" musikalisch ein echter Prokofjew ist, stellt der junge Dirigent Dmitry Matvienko als Hausdebütant am Pult des RSO unter Beweis. Der Komponist flechtet zahlreiche Tänze in seine Partitur, erinnert immer wieder an seine filmmusikalischen Arbeiten, spielt mit lautsprachlichen Elementen im Wechselspiel mit der Musik. Zupackend, zugänglich kommt das Ganze daher. Gott sei Dank kein Schweigekloster!
Libretto als Schwäche
Denn die Schwäche des Stückes ist sein Libretto respektive die denkbar schlichte Handlung. Man hat "Die Verlobung im Kloster" schon oft gesehen, auch wenn man das Stück noch nie gesehen hat. Zu konventionell, zu sehr aus der Zeit gefallen ist der hier angelegte Humor der Commedia dell'Arte - und war dies letztlich wohl auch bereits 1941. In puncto Spritzigkeit bewegt man sich auf dem Niveau der altvaterischen Behäbigkeit des Wirtschaftswunders, Saufhymnen und Scherze über alternde Menschen inklusive. Letztlich kommen hier wohl nur geneigte Fans der Löwinger-Bühne auf ihre Kosten.
Im Kern ist "Die Verlobung im Kloster" eine handelsübliche Verwechslungskomödie. Die junge Luisa liebt den armen Antonio, soll aber eigentlich den reichen Fischhändler Mendoza heiraten. Auf den steht wiederum ihre Amme Duenna, die deshalb die Rollen mit Luisa tauscht. Luisas Bruder Ferdinand schließlich liebt die reiche Clara, die ins Kloster gegangen ist. Und zwischendrin Vater Don Jerome. Die Grundkonstellation für ein Wechselspiel der Paare ist gelegt.
Regie holt Optimum heraus
Immerhin holt Michieletto das Optimum aus der schwachen Vorlage heraus. Der gebürtige Venezianer setzt mit seinem Bühnenbildner Paolo Fantin auf eine reduzierte Farbpalette anstelle mediterraner Farbenpracht. Ein gigantischer, schwarzer Kubus dominiert die Bühne, der mittels Neonbeleuchtung immer wieder an eine 90er-Jahre-Ästhetik anschließt und sich - Klosterfrau Kulissengeist lässt grüßen - zu verschiedenen Spielräumen hin öffnen kann.
Hierbei nimmt der 49-Jährige die Tür-auf-Tür-Spiele des Genres bei den Hörnern und hält verschiedene Stellwände bereit, deren einzige Accessoires Türen sind, die entsprechend ausgiebig genutzt werden. Alles in allem konterkariert Michieletto die Bräsigkeit des Materials mit stilvollem Minimalismus - wenn man vom optischen Rufzeichen eines beweglichen Riesenbarschs absieht, der rechtzeitig zur den ersten Akt beschließenden Albtraumsequenz von der Decke hängt.
Ensemble auf der Habenseite
Das Ensemble hingegen lässt sich nicht hängen. Valery Gilmanov ist als schmieriger Fischhändler Mendoza ein herrlich winselnder und zugleich breittragender Bass, Evgeny Akimov der agile Don Jerome, Elena Maximova eine Duenna, die die großen Tonsprünge ihres Parts bravourös bewältigte. Einzig die charmante australisch-marokkanische Sopranistin Stacey Alleaume mühte sich stimmlich immer wieder, gegen den Chor der donnernden russischen Kolleginnen und Kollegen sowie den Graben durchzudringen. Alles in allem also beste Voraussetzungen für eine konzertante Aufführung, die diesem Werk möglicherweise besser zu Gesicht steht.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
(S E R V I C E - Sergej Prokofjews "Die Verlobung im Kloster" im Musiktheater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Musikalische Leitung des RSO: Dmitry Matvienko, Regie: Damiano Michieletto, Bühne: Paolo Fantin, Kostüm: Klaus Bruns, Licht: Alessandro Carletti. Mit Don Jerome - Evgeny Akimov, Don Ferdinand - Petr Sokolov, Luisa - Stacey Alleaume, Duenna - Elena Maximova, Don Antonio - Vladimir Dmitruk, Clara - Anna Goryachova, Mendoza - Valery Gilmanov, Don Carlos - Zoltan Nagy, Pater Augustin - Sorin Coliban, Pater Elixier - Iurie Ciobanu, Pater Chartreuse - David Babayants, Pater Benedictine - Mischa Schelomianski, Lopez - Valentino Blasina, u.a. Weitere Aufführungen am 28. März und 31. März sowie am 2., 5., 7. und 9. April. www.theater-wien.at)
Zusammenfassung
- Russische Woche in den Wiener Opernhäusern. Nachdem die Wiener Staatsoper am Montag mit der Premiere von Tschaikowskys selten gespieltem Einakter "Iolanta" in Vorlage gegangen war, zog das Musiktheater an der Wien am Mittwoch mit Sergej Prokofjews ebenso rarer "Verlobung im Kloster" nach. Regisseur Damiano Michieletto holt dabei viel aus einem Werk heraus, dessen Libretto wenig zu bieten hat. Gutes Ensemble obendrauf, und schon war der Schlussapplaus euphorisch.