Ulrich Seidl heuer in der Festivaljury von San Sebastian
Im September 2022 erhob das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" gravierende Vorwürfe gegen den österreichischen Regisseur. Beim Dreh zu seinem Film "Sparta" habe Seidl die rumänischen Kinder-Laienschauspieler angeblich ohne Wissen der Eltern Szenen der "Gewalt und Nacktheit" ausgesetzt, hieß es in den Anschuldigungen. Die zunächst anonymen Vorwürfe schlugen derart hohe Wellen, dass das Filmfestival im kanadischen Toronto, wo "Sparta" Weltpremiere feiern sollte, den Beitrag kurzfristig aus dem Programm nahm. Das Hamburger Filmfest entschied sich sogar, Seidl nach den Vorwürfen nicht mehr wie angekündigt mit dem Douglas-Sirk-Preis für seine Filmkarriere auszuzeichnen.
Das Filmfestival von San Sebastian hielt jedoch an Seidl und der Unschuldsvermutung fest. Man bewerte Festivalbeiträge ausschließlich nach Interesse und Qualität und sei nicht in der Lage zu beurteilen, wie ein Film gedreht wurde und ob es während der Dreharbeiten zu Vergehen kam, antwortete die Festivalleitung damals auf Anfrage der APA. Natürlich müsse man diesen Anschuldigungen nachgehen. "Aber es wird gefährlich, wenn Filmfestivals aufgrund medialen Drucks und bloßer Anschuldigungen ohne Beweise anfangen, vom Schuldprinzip und nicht vom Unschuldsprinzip auszugehen", erklärte damals Festivaldirektor José Luis Rebordinos im APA-Gespräch.
Später erklärten betroffene Eltern, die sich unter anderem auch im "Spiegel" zu Wort gemeldet hatten, dass sie sich von den Journalisten manipuliert gefühlt hätten. Die Staatsanwaltschaft in Rumänien stellte die Ermittlungen gegen Seidl bereits ein. Auch das Österreichische Filminstitut (ÖFI) prüfte die Anschuldigungen und befand, dass man auf Basis der vorgelegten Dokumente und Berichte keine Vertrags- und Fürsorgeverletzungen ausmachen konnte.
Obwohl die Umstände und Anschuldigungen bis heute nicht gänzlich geklärt wurden, feierte "Sparta" damals erfolgreich seine Weltpremiere in San Sebastian. Der Film gewann zwar nicht die "Goldene Muschel", erhielt aber die Anerkennung des Publikums und der Festivalpresse. Laut Festivaldirektor Rebordinos sei "Sparta" eine von Seidls besten Arbeiten überhaupt. Seidl erklärte sich Rebordinos damals sehr dankbar, reiste aber nicht persönlich nach San Sebastian, um den Filmbeitrag nicht durch die Polemik um seine Person zu überschatten. Der Film sollte für sich sprechen, so Seidl.
Nun wird der österreichische Filmemacher doch noch an den Golf von Biskaya reisen, um in der Jury tätig zu sein. Deren Vorsitz wird die spanische Filmemacherin Jaione Camborda übernehmen, die mit ihrem Sozialdrama "O Corno" im vergangenen Jahr das Filmfestival von San Sebastian gewinnen konnte. Neben Ulrich Seidl gehören der sechsköpfigen Wettbewerbsjury zudem der US-amerikanische Schauspieler und Regisseur Fran Kranz, die französische Produzentin Carole Scotta, die argentinische Schriftstellerin und Journalistin Leila Guerriero sowie der griechische Filmemacher Christos Nikou an. Insgesamt 16 Filmbeiträge befinden sich heuer im offiziellen Wettbewerb in San Sebastian, dessen Hauptpreis die "Goldene Muschel" nach der Form der Bucht benannt ist, an der die nordspanische Küstenstadt liegt.
(Von Manuel Meyer/APA)
(S E R V I C E - www.sansebastianfestival.com/in/)
Zusammenfassung
- Ulrich Seidl wird in der Jury des 72. Internationalen Filmfestivals von San Sebastian sitzen, das vom 20. bis 28. September stattfindet.
- Das Filmfestival von San Sebastian hielt trotz der Vorwürfe durch das Nachrichtenmagazin 'Spiegel' an Seidl und der Unschuldsvermutung fest.
- Die Staatsanwaltschaft in Rumänien stellte die Ermittlungen gegen Seidl ein, und das Österreichische Filminstitut fand keine Vertrags- und Fürsorgeverletzungen.