Theater blicken auf Corona zurück: "Es ist vorbei!"
"Von einem Tag auf den anderen wurde alles auf den Kopf gestellt. Das ist eine Erfahrung, die wir alle nicht mehr machen möchten", erinnert sich Königstorfer im Gespräch mit der APA. Die Theater trafen die Restriktionen, die ihren Betrieb einschränkten, völlig unvorbereitet. "Auf solche Ausnahmesituationen kann man sich nicht vorbereiten", sagt Christian Kircher, der Geschäftsführer der Bundestheater Holding. Am Ende der Saison 2019/20 standen am Burgtheater 179 Spieltagen 111 verordnete Schließtage gegenüber, und auch die Folgesaison war von Schließungen und völlig neuen Begriffen geprägt: Abstandsregeln, Maskenpflicht, personalisierte Karten, 3G- und 2G-Regel, FFP2-Maske, dynamischer Saalplan und anderes.
Neben den organisatorischen Schwierigkeiten wurde rasch klar: Schließungen oder Platzeinschränkungen bedeuten unmittelbare, aber auch künftige Einnahmenausfälle. "Insbesondere jene Häuser, die einen hohen Anteil an Ticketerlösen haben, bekamen Probleme", sagt Königstorfer. Die Politik erkannte den Ernst der Lage. "Es gab einen engen Austausch mit dem Eigentümer und eine gute Kooperation zwischen Kunst- und Finanzministerium", bestätigt Kircher. Der Eigentümer, die Republik, sprang den Kulturbetrieben mit Coronahilfen und der Möglichkeit, Kurzarbeit anzumelden, zur Seite. Was ohne diese Unterstützung geschehen wäre, daran lässt der Holding-Chef keinen Zweifel: "Das kann ich ganz klar sagen: Dann wären wir pleite. Aus Schluss!"
"Im Rückblick dürfen wir zusammenfassen: Wir sind gut durch die Krise gekommen", zieht Christian Kircher ein Fazit. Manches sei geblieben - etwa das vermehrte Arbeiten im Homeoffice oder die Anzahl der Tätigkeiten, die von zu Hause erledigt werden können. "Was sich auch geändert hat, ist das höhere Bewusstsein für die Verantwortung im Umgang mit anderen Menschen." Das gilt für das Publikum wie für die eigenen Mitarbeiter.
"Long Covid ist definitiv ein Thema"
Das organisatorische Chaos aufgrund von stark erhöhten Krankenständen ist Vergangenheit. Gab es in der Vorsaison im Burgtheater noch 14 Vorstellungsabsagen, 39 Änderungen bei der Programmierung und 29 Umbesetzungen, sind es schon in dieser Saison deutlich weniger. "Man kann sagen: Es ist vorbei!", so Kircher. Das gilt freilich nicht für alle. "Long Covid ist definitiv ein Thema", bestätigt der Holding-Geschäftsführer und auch am Landestheater Linz gibt es zumindest zwei davon betroffene Mitarbeiterinnen.
Nicht gekommen, um zu bleiben, ist das Streaming. Bis auf wenige experimentelle Formen habe sich das Live-Element einer Theatervorstellung als deutlich zugkräftiger erwiesen, glaubt Königstorfer, rühmt aber etwa die damals unmittelbar angelaufenen Bemühungen der Staatsoper, ihr Publikum mit TV-Live-Übertragungen zu erreichen, als vorbildlich.
"Bühnen Graz sind langsam am Weg zurück"
In den Monaten nach der kompletten Wiedereröffnung der Theater, die erst seit 2022 wieder ohne jegliche Einschränkung spielen dürfen, wurde über die eher zögerliche Rückkehr des Publikums geklagt. Wie sieht die Situation heute aus? "Nach Corona sind die Bühnen Graz langsam am Weg zurück. Wir haben an den klassischen Häusern der sogenannten ernsten Muse noch nicht das Verkaufsniveau der Vor-Corona Jahre erreicht, da die Zäsur des Freizeitverhaltens nachhaltiger einschneidend war als erwartet", lässt Bernhard Rinner wissen. Der Geschäftsführer der Bühnen Graz verweist dem gegenüber auf die "Bühnen der verkürzt bezeichneten leichten Muse wie Rock, Pop, Metal und Kabarett", wo die aktuellen Verkaufszahlen jene der Vor-Corona Jahre überstiegen.
"Es ist schwierig, eindeutige Trends herauszufiltern, aber tendenziell gibt es eine Entwicklung hin zu kurzfristigerem Kaufverhalten, sowie eine Tendenz zu unterhaltendem Kulturangebot", fasst Königstorfer eine Rundfrage zusammen, die er als aktueller Generalsekretär des Bühnenvereins österreichischer Bundesländer und Städte gemacht hat. "In den Bundesländern liegen viele der Theater nach Corona wieder auf dem Niveau von davor oder sogar darüber; vielleicht hat die Differenzierung aber auch damit zu tun, dass sich in einzelnen Städten neue Intendanzen gerade 'ihr' neues Publikum aufbauen."
Historische Höchststände bei den Kartenerlösen
So wiesen das Theater Baden (2,5 Mio. Euro) oder das Landestheater Linz (11,5 Mio. Euro) 2024 historische Höchststände bei den Kartenerlösen aus, in Linz könne man auch auf einen Abonnement-Höchststand verweisen. Laut seiner Erhebung liegen das Landestheater Salzburg und das Stadttheater Klagenfurt jeweils bei einer Auslastung von rund 85 Prozent und damit so wie auch das Tiroler Landestheater auf Vor-Corona-Niveau.
Auch Christian Kircher ist zufrieden. "Die Delle beim Publikumszuspruch ist geglättet. Die Häuser sind voll! Wir werden in der laufenden Saison voraussichtlich überall Rekordwerte erreichen", sagt er über Staatsoper, Volksoper und Burgtheater. Alles eitel Wonne also? Nicht ganz! "Was übrig bleibt, ist die gesellschaftliche Disruption und eine gewisse emotionale Überspanntheit. Der Energieaufwand war wahnsinnig hoch."
Zusammenfassung
- Die österreichischen Theater erlebten während der Pandemie massive Einschränkungen, mit 111 Schließtagen in der Saison 2019/20 am Burgtheater.
- Dank staatlicher Unterstützung durch Coronahilfen und Kurzarbeit konnten Pleiten verhindert werden, so Christian Kircher von der Bundestheater Holding.
- Im Jahr 2024 erreichte das Theater Baden 2,5 Millionen Euro und das Landestheater Linz 11,5 Millionen Euro an Kartenerlösen, was historische Höchststände sind.
- Während klassische Theater noch nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht haben, übertreffen leichtere Unterhaltungsangebote wie Rock und Kabarett die Verkaufszahlen von vor der Pandemie.
- Obwohl die Theaterlandschaft sich erholt hat, bleiben gesellschaftliche Disruptionen und Long Covid als Herausforderungen bestehen.