APA/GEORG HOCHMUTH

Teile von Beethovens 9. ausnahmsweise in Wien zu sehen

Große Kunstwerke umweht stets die Aura des Unsterblichen, der Hauch der Geschichte, den keine noch so gute Reproduktion evozieren kann. Dies gilt auch für die handschriftliche Partitur von Ludwig van Beethovens 9. Symphonie, die sich überwiegend in der Staatsbibliothek zu Berlin befindet - normalerweise. Anlässlich des am 7. Mai nahenden 200. Jahrestags der Uraufführung ist es den Wiener Philharmonikern gelungen, einige Blätter temporär ins Wiener Theatermuseum zu holen.

Im einstigen Musikzimmer des Palais Lobkowitz, in dem sich das Theatermuseum heute befindet, sind wichtige Teile des 1. und des 4. Satzes neben einigen Korrekturen und späteren Ergänzungen zu sehen. Diese stammen aus dem einstigen Besitz des Wiener Musikverlegers Domenico Artaria, der diese nach dem Tod Beethovens 1827 aus dem Nachlass ersteigert hatte.

Der Großteil befand sich hingegen im Besitz des vermeintlichen Beethoven-Freundes Anton Schindler, der schließlich den Gutteil des handschriftlichen Konvoluts 1846 an die Königliche Bibliothek zu Berlin verkaufte. Diese erwarb dann 1901 auch die Artaria-Blätter und verwahrt seither die monumentalen Niederschrift - von zwei Doppelseiten im Beethoven-Haus Bonn und drei Doppelseiten in der Bibliothèque nationale de France in Paris abgesehen. Das Ganze wurde 2002 restauriert und digitalisiert, um es einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Bis 1. Juli sind nun also Teile der Artaria-Blätter erstmals seit 1901 wieder in Wien zu sehen, flankiert von einem Exemplar der Erstausgabe aus dem Besitz der Wiener Philharmoniker. Und Stardirigent Riccardo Muti, der die Philharmoniker auch durch die Serie von Jubiläumskonzerten im Musikverein führen wird, hat zur Verdeutlichung der Rezeptionsgeschichte eine seltene Faksimile-Ausgabe aus 1924 beigesteuert.

"Es sind die Seiten, die am meisten erzählen", begründete Otto Biba gegenüber der APA die konkrete Wahl der Exponate, die sich für gewöhnlich sicher verwahrt im Berliner Tresor befinden. Der einstige Archivdirektor der Gesellschaft der Musikfreunde gebar die Idee zur Präsentation im Vorjahr gemeinsam mit Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer in einem Salzburger Kaffeehaus.

So lassen sich an den auf qualitativ hochwertigem Büttenpapier geschriebenen Notenzeilen gar Rasuren erkennen, also Auskratzungen, durch die Hand des Meisters. Nach jahrzehntelangem Ringen mit der Idee hatte Beethoven die eigentliche Partitur in zwei Jahren niedergeschrieben, wobei er auf verschiedenen Papierformaten schrieb. Dies verhinderte bis heute, dass das Konvolut gebunden wird, was den Vorteil biete, dass man die einzelnen Seiten auch leichter verleihen könnte, zeigte sich Martina Rebmann, Leiterin der Musikabteilung der Berliner Staatsbibliothek, pragmatisch. Auch in Berlin sind ab 7. Mai Teile der Niederschrift ausgestellt.

Im Dämmerlicht des Musikzimmers, in dem einst Beethoven selbst mit dem Fürsten spielte, finden sich die Exponate nun wohlbehalten unter Sicherheitsglas bei 50 Prozent Luftfeuchtigkeit und rund 22 Grad Celsius. Dabei muss man die wertvollen Originale gar nicht mehr wortwörtlich mit Samthandschuhen anfassen, unterstrich Rebmann. So sind nicht partout Handschuhe zu tragen, durch die man als Betrachter die Feinmotorik verliere. Das Waschen der Hände genüge. Und falls sich dann doch ein leichter Fingerabdruck am Rand befinde, bliebe zu konstatieren: "Das gehört zur Aura des Originals."

Und diese Aura wirkt zweifelsohne. "Es ist ein Herzschlagmoment", machte Sabine Haag deutlich, als Generaldirektorin des KHM für das Theatermuseum verantwortlich. Nicht zuletzt wirkt der Zauber, einem solchen Stück Kulturgeschichte gegenüberzustehen, auf Künstler, wie Philharmoniker-Vorstand Froschauer deutlich machte: "Das ist für einen Musiker wie Weihnachten und Ostern zusammen."

Die Wiener Philharmoniker sind der 9. Symphonie schließlich eng verbunden. "Musiker, die danach Gründungsmitglieder der Wiener Philharmoniker wurden, spielten bei der vom Komponisten veranstalteten Uraufführung im Kärntnertortheater mit", machte Froschauer deutlich. Entsprechend der eigenen Natur belassen es die Philharmoniker deshalb nicht bei der Präsentation, die am heutigen Dienstagabend in einem Festakt im Theatermuseum ihren Ausgang nimmt. An drei weiteren Abenden (15. und 29. Mai sowie am 12. Juni) gastieren Mitglieder des Orchesters in wechselnden Ensembles im naheliegenden Eroica-Saal. Am Programm stehen dabei Werke, die in Verbindung mit der 9. Symphonie zu sehen sind.

(S E R V I C E - www.theatermuseum.at/vor-dem-vorhang/ausstellungen/freude-schoener-goetterfunken/)

ribbon Zusammenfassung
  • Anlässlich des 200. Jahrestags der Uraufführung von Beethovens 9. Symphonie sind ausgewählte Partituren erstmals seit 1901 wieder in Wien zu sehen.
  • Die Ausstellung im Wiener Theatermuseum umfasst wichtige Teile des 1. und 4. Satzes und ist bis zum 1. Juli zugänglich.
  • Ergänzt wird die Präsentation durch Jubiläumskonzerte der Wiener Philharmoniker, die eng mit der Uraufführung verbunden sind.