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Schweizer Künstler setzt in Venedig auf Abverkauf bei Prada

Nach mehrjähriger Vorbereitung hat am Samstag in der Fondazione Prada in Venedig eine riesige Ausstellung des Schweizers Christoph Büchel eröffnet. Mit bitterer Ironie hat der Kunstprovokateur dabei den prächtigen Palast der Stiftung anscheinend in einen Laden für Ramsch sowie Hochpreisigeres verwandelt, in dem alles abverkauft werden soll. Gleichzeitig verweist er vielschichtig auf die Finanz- und Kunstgeschichte von Venedig und hält dem Kunstsystem einen Spiegel vor.

Die Fondazione Prada in Venedig scheint verschwunden zu sein: Wo seit 2011 die Dependance der privaten Kunststiftung gewesen war, residiert laut den Beschriftungen am Gebäude nun ein "House of Diamonds: Queen of Pawns", in dem alles abverkauft werden soll. Und selbst das Ca' Corner della Regina wird zum Verkauf angebauten: Eine mysteriöse Immobilienfirma, so erklärt ein Plakat am Canal Grande, will das schöne Venedig noch schöner machen.

Der Schein trügt freilich: Hinter der radikalen "Umwidmung" steckt der Schweizer Christoph Büchel, der nach seiner umstrittenen Umfunktionierung einer Kirche in eine Moschee für den isländischen Länderpavillon 2015 sowie dem ebenso heftig diskutierten Transfer eines gesunkenen Flüchtlingsboots in das Arsenal 2019 mit einem spektakulären Kunstprojekt erneut in die Lagunenstadt zurückgekehrt ist. Für "Monte di Pietà" - der Titel verweist auf eine historische Funktion des Palasts als katholisches Pfandleihanstalt und Kreditinstitut für Ärmere - hat der Künstler das ganze Haus in eine riesige Installation mit maximaler Liebe zum Detail verwandelt.

Während der Eingangsbereich im Erdgeschoss den Eindruck vermittelt, dass hier ein Gebäude einfach großartig ausgeräumt werden soll, wirkt der erste Stock auf den ersten Blick wie ein typischer großdimensionierter Ramschladen mit Billigware und auch Hochpreisigerem. Das Angebot ist verdächtig breit gefächert - fast alles scheint hier zu haben zu sein, Schi, Fahrräder, Waschmaschinen, Klomuscheln, Altkleidern, Pornoheftchen, Kunst, Kitsch, Brillanten, Marx-Büsten und selbst Gewehre.

Auf den zweiten Blick wird freilich deutlich, dass im Ramsch viel zu Exklusives versteckt ist und sich hinter der gänzlich unbeschrifteten Ware vielfach große Geschichten verbergen. So hängt das von Tizian gemalte und aus den Uffizien in Florenz entlehnte Porträt einer Ahnherrin der ehemaligen Hausbesitzer an einer schmucklosen Wand oder steht eine in deutscher Kurrentschrift beschriebene Tafel anscheinend zum Verkauf, bei der es sich um ein von der Galerie Thaddaeus Ropac zur Verfügung gestelltes Werk von Joseph Beuys handelt. Zu Entdecken gibt es Unzähliges: In den Pressematerialien werden die wichtigsten Kunstwerke und Objekte der Ausstellung 25 Seiten lang aufgelistet.

Dass den fiktiven Hausherrn weder verwerflich Menschliches noch Zeitgenössisches fremd ist, offenbart sich schließlich im eher versteckten Mezzanin des Ca' Corner della Regina. Hier wird nicht nur der ganze Betrieb überwacht, sondern auch das Mining einer Kryptowährung betrieben, die aus einem improvisierten Studio auch im Internet beworben werden können. Zudem findet sich hier illegales Spielcasino und geeignete Räumlichkeiten für Striptease.

Neben vielen konkreten einzelnen Sujets hält Büchel in dieser Installation, die in den letzten zwei Monaten aufgebaut worden war, aber insbesondere Venedig als einem zentralen Ort für die Kommerzialisierung der Kunst und damit auch dem Kunstsystem insgesamt einen Spiegel vor. Alles scheint hier verkäuflich zu sein und sich dem Markt unterzuordnen, selbst politische Einstellungen. Dies gilt selbst - so suggeriert der Künstler mit konkreten Exponaten - für die Solidarität mit dem palästinensischen Volk, die in den vergangenen Monaten ein wichtiges Thema für Teile der globalen Kunstszene waren: Im Rahmen des totalen Abverkauf im großen Ramschladen sind im ersten Stock auch Trikots des palästinensischen Fußballnationalteams zu haben.

(S E R V I C E - "Monte di Pietà. Ein Projekt von Christoph Büchel", von 20. April bis 24. November 2024, Fondazione Prada, Venedig. https://www.fondazioneprada.org/visit/visit-venezia/)

ribbon Zusammenfassung
  • Christoph Büchel verwandelt mit 'Monte di Pietà' die Fondazione Prada in Venedig ironisch in einen Ramschladen, der vom 20. April bis zum 24. November 2024 zu sehen ist.
  • Die Installation kritisiert die Kommerzialisierung der Kunst, indem sie historische Bezüge und aktuelle politische Themen wie Kryptowährungen und palästinensische Solidarität aufgreift.
  • Neben Alltagsgegenständen sind versteckt wertvolle Kunstwerke integriert, darunter ein Tizian-Porträt und ein Werk von Joseph Beuys.