Schnitzler-Typ und Schüttelreimer: Herz-Kestranek wird 75
"Nationalisten umwickeln Sprengstoff / mit ihren Geburtsurkunden", heißt es etwa in dem Band, oder "Jude sein ist nie selbstverständlich." Auch in seinem 2011 erschienenen Buch "Frau von Pollak: oder Wie mein Vater jüdische Witze erzählte" setzte sich Herz-Kestranek, der am 3. April 1948 in St. Gallen in der Schweiz geboren wurde, mit seiner jüdischen Herkunft auseinander. Seine Kindheit verbrachte er am Wolfgangsee und kam im Alter von 20 Jahren nach Wien, in die Heimatstadt seines Vaters, wo er am Max-Reinhardt-Seminar seine Schauspielausbildung absolvierte. Im Anschluss daran war der Künstler unter anderem Ensemblemitglied am Burgtheater und im Theater in der Josefstadt und hatte Engagements am Wiener Volkstheater und bei den Salzburger Festspielen. Seit 1980 ist Herz-Kestranek als freiberuflicher Schauspieler tätig.
Auf der Bühne machte sich der Mime vor allem als Schnitzler-Darsteller einen Namen. In der Regie von Otto Schenk spielte er etwa 1990 an der Josefstadt den "Anatol". Im Laufe der Zeit verlagerte sich jedoch Herz-Kestraneks Karriere immer mehr vom Theater ins Fernsehen, wo er bereits Anfang der 80er-Jahre in der Jörg-Mauthe-Serie "Familie Merian" als Magister Liguster seinen ersten Erfolg feiern konnte. Weitere Rollen unter anderem als Kommissar Ullmann im "Tatort" sowie als Bösewicht in Serien wie "Klinik unter Palmen" oder in "Kommissar Rex" folgten.
Eine besondere Vorliebe Herz-Kestraneks gilt der Wiener Kaffeehausliteratur der vorvorigen Jahrhundertwende. Im Rahmen seiner Lesetourneen war er mit Texten von Peter Altenberg, Alfred Polgar und Egon Friedell in den USA und Israel zu hören. In seinem Erfolgsprogramm "Lachertorten mit Noten" präsentierte sich der Schauspieler auch als Chansonnier.
Immer wieder betätigt sich Miguel Herz-Kestranek, der mit Lebenspartnerin und Schauspielkollegin Dorothea Parton eine Tochter hat, auch als Autor und Herausgeber. 1997 veröffentlichte der Künstler unter dem Titel "...also hab ich nur mich selbst" Briefe seines Vaters Stefan, die dieser nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten während der Emigration in Lateinamerika geschrieben hatte. Neben dem Sammeln und Abfassen von Schüttelreimen, Polemiken und Weihnachtsgeschichten betätigte er sich auch als Herausgeber, etwa von österreichischer Exillyrik.
Auch gesellschaftspolitisch war Herz-Kestranek stets engagiert: 1993 gründete er den Österreichischen Filmschauspielerverband, dessen Ehrenpräsident er seit 2003 ist, er war Vizepräsident des heimischen PEN Clubs und im Kuratorium des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Seit 2008 ist er Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung, 2012 war er Gründungsmitglied des Bürgerinnenforums Europa 2020. Für seine Leistungen wurde er unter anderem mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (2000) und mit dem großen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich (2013) ausgezeichnet.
Im Jahr 2021 erwarb die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) die noch erhaltenen Teile des schriftlichen Familiennachlasses der österreichischen Industriellenfamilien Herz und Kestranek. Seit 2018 war der Nachlass "zu einem großen Teil durch Schenkungen" des Schauspielers etappenweise in die ÖNB gelangt. Er umfasst inzwischen mehr als 10.000 Schriftstücke und Dokumente.
Zusammenfassung
- Für viele verkörpert er den idealen Typus des melancholischen Schnitzler-Darstellers - eine Fähigkeit, die Miguel Herz-Kestranek viele Jahre lang bei den Festspielen Reichenau unter Beweis gestellt hat.
- Am Montag feiert er seinen 75. Geburtstag.
- Im Anschluss daran war der Künstler unter anderem Ensemblemitglied am Burgtheater und im Theater in der Josefstadt und hatte Engagements am Wiener Volkstheater und bei den Salzburger Festspielen.