APA/APA/THEMENBILD/HARALD SCHNEIDER

Femizid in Wien

40-Jähriger nach Frauenmord zu lebenslanger Haft verurteilt

24. Feb. 2025 · Lesedauer 5 min

Ein 40-Jähriger hat am Dienstag vor einem Schwurgericht im Grauen Haus gestanden, am 25. August 2024 seine Lebensgefährtin in Wien-Favoriten vorsätzlich getötet zu haben. Er wurde nicht rechtskräftig wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. "Ich übernehme die Verantwortung für die Tat", hatte er einem Schwurgericht erklärt.

In der Urteilsbegründung verwies der vorsitzende Richter Stefan Apostol auf die "besonders bestialische Vorgangsweise" des 40-Jährigen. Ungeachtet seiner geständigen Verantwortung, seiner bisherigen Unbescholtenheit und seiner Selbststellung habe "keine andere Strafe als lebenslang" in Betracht gekommen.

Der 40-Jährige erbat nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin Ina-Christin Stiglitz Bedenkzeit. Die Töchter der Getöteten im Alter von 21 und 22 Jahren bekamen vom Gericht ein Trauerschmerzensgeld von jeweils 25.000 Euro zugesprochen. Eine Nachbarin, die den Todeskampf der 49-Jährigen mitanhören müssen, erhielt 2.000 Euro.

"Schalter umgelegt"

In der Früh - das inkriminierte Verbrechen ereignete sich gegen 8.30 Uhr - habe sich "ein Schalter umgelegt. Ich hab' die Kontrolle über mich verloren", gab der bisher unbescholtene Mann an. Er hatte seine Partnerin im Jahr 2023 über eine Dating-Plattform kennengelernt.


"Nach einer gescheiterten Beziehung sehnte sie sich nach der großen Liebe", schilderte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung. Die Beziehung sei dann "auch gewaltfrei und harmonisch" verlaufen, meinte die Staatsanwältin.

Monatelang mit Femizid-Berichterstattung befasst

Dessen ungeachtet sei im Angeklagten, der zuletzt als Event-Mitarbeiter geringfügig beschäftigt war, "der Glaube entstanden, dass er sie töten muss", erläuterte die Anklägerin. Ausschlaggebend dafür sei gewesen, "dass er sich in Depressionen und Verlustängsten verloren hat".


Der Mann habe sich über Monate hinweg mit Medienberichten über Femizide beschäftigt und nach dem Strafausmaß für Frauenmorde gegoogelt. "Er wollte sie lieber tot sehen als in den Händen eines anderen Mannes", bemerkte die Staatsanwältin abschließend.

Dabei hätte es aus Sicht des Angeklagten offenbar keinen Grund gegeben, an der Beziehung zu der 49-Jährigen zu zweifeln, wie sich an Chats zwischen den beiden zeigte, die in der Verhandlung verlesen wurden. In einer Unterhaltung hatte die Frau ihrem Partner versichert, dieser sei "sicher keine Notlösung" und sie "sehe es nicht so, dass da draußen andere Männer sind."


Sie betonte "die liebevolle Art und den Humor" ihres Partners, erwähnte jedoch, dass sie dessen "dauerhaftes Lesen von Femizid-Berichten" störe. Während der Verhandlung gab der Angeklagte mehrmals an Suizidgedanken zu haben. Auch soll er davon gesprochen habe, seine Freundin umzubringen, falls sie ihn verlässt.

Angeklagter bekannte sich "voll schuldig"

"Ich bekenne mich voll schuldig", betonte der wegen Mordes Angeklagte im Anschluss in seiner Beschuldigteneinvernahme. Auf die Frage, ob er sehr eifersüchtig gewesen sei, erwiderte er: "Das kann man so sagen." Er habe gewusst, dass seine Partnerin in einer vorangegangenen Beziehung ihren Mann verlassen hatte. "Mir ging es psychisch nicht gut. Eine Mischung aus Depressionen, Midlife-Crisis und Verlustängsten", stellte der 40-Jährige fest.


Laut Anklage kam die Frau gewaltsam zu Tode, indem der 40-Jährige ihr nach dem Aufwachen am Morgen zahlreiche Faustschläge gegen den gesamten Körper versetzte, sie gegen Möbelstücke warf und im Anschluss mit seinem rechten Arm würgte. Der vorsitzende Richter sprach von einem "Martyrium", das das Opfer erdulden musste.

Die Frau verstarb nach einem minutenlangen Überlebenskampf einem gerichtsmedizinischen Gutachten zufolge an einer Kompression der Halsweichteile mit einem Bruch des Zungenbeins samt daraus resultierender Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.

Gutachter: "Typisch männliches" Gewaltdelikt

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann stellte in seiner Analyse eine asymmetrische Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Opferfest. Das Opfer sei eine "im Leben stehende Frau" und Mutter zweier Kinder gewesen. Dem gegenüber stehe der Angeklagte, der seit Jahren einen "Abstieg erleidet". Mit der Trennung seiner vorangegangenen Beziehung habe er eine "tiefe Kränkung" erfahren.


Der Angeklagte habe aber keine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, auch seine Depression sei nicht so schwer gewesen, um eine solche Tat erklären zu können, sagte Hofmann. Der Gutachter beschrieb den Fall als ein "typisch männliches" Gewaltdelikt. "So etwas machen ja keine Frauen", fügte er hinzu.

"Krankhaft" politische Inhalte konsumiert

Unmittelbar nach der Tat hatte der Angeklagte seinen besten Freund angerufen und diesem die Tat gestanden. Dieser alarmierte daraufhin die Polizei. Bei seiner Befragung als Zeuge erklärte er, dass sich der psychische Zustand des Angeklagten seit der vorangegangenen Trennung in den letzten Jahren, "massiv verschlechtert" hätte.


Am Anfang hätte der Angeklagte nur davon geredet sich selbst umzubringen. "Damals hat er mir noch leidgetan", erklärte der Zeuge. Der Angeklagte habe "krankhaft" politische Inhalte im Internet konsumiert, etwa "Kickl-Videos", erwähnte der Zeuge. Er sei "rasender FPÖ-Fan" geworden, sagte der Zeuge.

In ihrem Schlussplädoyer warf die Staatsanwältin dem Angeklagten vor, die Tat "von langer Hand" geplant zu haben. In den 48 Stunden vor der Tat habe er sich 50 Artikel zum Thema Femizid angesehen. Er könne sich an alles genau erinnern und sei "zielgerichtet und geordnet vorgegangen".

info Hilfe bei häuslicher Gewalt

Sind Sie Opfer von Gewalt oder kennen jemand, der es ist? Hier finden Sie Hilfe

Frauen-Helpline: 0800/222 555
Gewaltschutzzentrum: 0800/700 217
24-Stunden-Frauennotruf der Stadt Wien: 01/71719
Frauenhaus-Notruf: 05 77 22
Männerberatung Wien: 01/603 28 28
Rat auf Draht - Hilfe für Kinder & Jugendliche: 147
Im Fall von akuter Gewalt: Polizei-Notruf 133

Zusammenfassung
  • Ein 40-jähriger Mann wurde in Wien wegen Mordes an seiner 49-jährigen Lebensgefährtin zu lebenslanger Haft verurteilt.
  • Der Angeklagte gestand die Tat und erklärte, er habe die Kontrolle über sich verloren, nachdem er sich intensiv mit Femiziden beschäftigt hatte.
  • Laut Staatsanwaltschaft verlief die Beziehung gewaltfrei, doch der Angeklagte entwickelte Verlustängste und Depressionen.
  • Ein psychiatrischer Gutachter stellte fest, dass der Angeklagte keine schwerwiegende psychische Störung hatte, die die Tat erklären könnte.
  • In den 48 Stunden vor der Tat las der Angeklagte 50 Artikel über Femizide, was die Staatsanwaltschaft als geplante Tat wertete.