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"Prima facie" im Grazer Schauspielhaus: Gewalt ohne Folgen

Pünktlich zum Frauentag hat das Grazer Schauspielhaus am Freitag Suzie Millers "Prima facie" (dem ersten Anschein nach, Anm.) auf die Bühne gebracht. Der Monolog, der hier auf drei Frauen aufgesplittet wurde, schildert einen Vergewaltigungsfall, bei dem eine Anwältin plötzlich auf der anderen Seite steht. Der Text verschränkt gekonnt die Ohnmacht und die Hilflosigkeit gegenüber dem System mit den juridischen Kommentaren der Frau, die um die Sinnlosigkeit ihrer Klage weiß.

Tessa, eine junge Juristin aus einfachen Verhältnissen, schafft es in eine renommierte Kanzlei und wird häufig für Fälle von sexuellen Übergriffen gegen Frauen als Verteidigerin der Männer engagiert. Sie weiß, wie man Zeugen anpackt, Zweifel säht und das Opfer unglaubwürdig macht. Doch dann ändert sich alles: Eine schnelle Nummer im Büro mit einem Kollegen könnte aus ihrer Sicht zu einer Beziehung werden, sie nimmt ihn daher in ihre Wohnung mit. Nach zunächst einvernehmlichem Sex wendet sich das Blatt, sie möchte nicht mehr, er nimmt sich rücksichtslos, was er will. Die wehrlose Frau flüchtet aus der eigenen Wohnung und zeigt den Kollegen an.

Was dann passiert, wird dem Publikum eindringlich vor Augen geführt: Die Frau erzählt, wie sie sich als Opfer fühlt, gleichzeitig wird die Außensicht mit dem kühlen Blick der Juristin gegenübergestellt. Tessa weiß, dass sie keine Chance hat: "Mein juristischer Instinkt sagt mir, der Fall ist nicht zu gewinnen". Das System, das sie so gekonnt bedient hat, wendet sich plötzlich gegen sie. Der Anwalt des Täters zerlegt sie so gnadenlos, wie sie es immer gemacht hat. Es genügt, Zweifel zu sähen, um das Gericht von einem Schuldspruch abzuhalten.

Regisseurin Anne Bader zeichnet die Geschichte mit drei Frauen. Anna Rausch spannt den Bogen von der harten Anwältin zum verletzlichen Opfer mit großer Intensität. Ab der Vergewaltigung teilen sich drei Frauen den Text. Luisa Schwab und Otiti Engelhardt sind ebenfalls Tessa - so wie jede Frau Tessa sein könnte. Dass hier nichts zu gewinnen ist, ist der Juristin von Anfang an klar - aber auch, dass Schweigen keine Option mehr sein sollte. Ein Abend, der den Finger in eine Wunde legt, die sich noch lange nicht schließen wird.

(Von Karin Zehetleitner/APA)

(S E R V I C E - "Prima facie" von Suzie Miller im Grazer Schauspielhaus. Regie: Anne Bader, Bühne und Kostüme: Hannah von Eiff. Mit: Anna Rausch, Luisa Schwab und Otiti Engelhardt. https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Grazer Schauspielhaus präsentiert zum Frauentag Suzie Millers 'Prima facie', einen intensiven Monolog über einen Vergewaltigungsfall, aufgesplittet auf drei Schauspielerinnen.
  • Hauptfigur ist eine Anwältin, gespielt von Anna Rausch, Luisa Schwab und Otiti Engelhardt, die nach eigener Vergewaltigung gegen das von ihr bisher genutzte Rechtssystem ankämpft.
  • Regisseurin Anne Bader stellt mit der Aufführung die Ohnmacht von Vergewaltigungsopfern gegenüber der Justiz heraus, ein Stück, das lange nachwirkt.