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Premiere von "Die Wut, die bleibt" in Salzburg umjubelt

Großer Erfolg für die letzte Schauspielproduktion der Salzburger Festspiele. Die Dramatisierung des grandiosen Romans "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl wurde am Freitagabend am Ende der Premiere im Landestheater mit viel Jubel und Standing Ovations bedacht. Männer bekamen in der zweistündigen Aufführung ganz schön eingeschenkt, doch auch Frauen, die sich die Spielregeln des Lebens von Männern diktieren lassen, kamen nicht gut weg.

Der Roman der Halleinerin zählte in der Unerbittlichkeit, mit der er das gesellschaftliche Ungleichgewicht der Geschlechterrollen anprangert, 2022 zu den Höhepunkten des Literaturjahres. Man hatte manche Zweifel, ob es Regisseurin Jorinde Dröse, die gemeinsam mit Dramaturgin Johanna Vater auch die Theaterfassung dieser Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover erstellt hatte, gelingen würde, die starke Wirkung des mit einem Knalleffekt beginnenden Buches adäquat auf die Bühne zu bringen.

Diese Zweifel schienen bestätigt zu werden, als der Selbstmord der dreifachen Mutter Helene, die vom gemeinsamen Essen mit der Familie aufsteht und vom Balkon in die Tiefe springt, von Johanna Bantzer nach einem Treueschwur-Monolog an ihre Tochter ("Ich werde dich nie verlassen, Lola!") so beiläufig absolviert wird, dass man befürchten musste, dass die Nicht-Kenner des Romans kaum mitbekommen würden, was da eben zu sehen war. Doch Dröse hat sich bewusst dafür entschieden, auf die Schockwirkung zu verzichten (und wiederholt 80 Minuten später die Schlüsselszene in aller Ausführlichkeit).

Was sie zeigt, ist schockierend genug, nämlich eine Welt, die uns ganz alltäglich vorkommt und mit Fortdauer der Handlung zunehmend monströser wirkt. Vater Johannes (Max Landgrebe) versinkt in Selbstmitleid und ist unfähig, als Alleinerzieher den Alltag mit seinen drei Kindern (die zwei kleinen Buben Lucius und Max sind in der Inszenierung nur indirekt präsent) zu bewältigen. Da kommt ihm sehr gelegen, dass Helenes beste Freundin Sarah (Anja Herden verleiht ihr anfänglich eine großartige Portion treuherzige Naivität) ihre eigene Trauerarbeit in Betreuungsarbeit umzuwandeln bereit ist. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der Johannes diese Hilfe annimmt und Sarah bald als gratis Putzfrau, Köchin und Kinderbetreuerin versteht, macht auch sie sprachlos.

Wirklich die Augen geöffnet bekommt sie allerdings erst von Helenes 15-jähriger Tochter Lola. Nellie Fischer-Benson gibt sie als rotzfreche und gleichzeitig liebesbedürftige Jungfeministin, die durch ihre Freundin Sunny (Hanh Mai Thi Tran) und eine boxende Mädchengang (Yasmin Mowafek, Sophie Casna) nicht nur kämpferisch, sondern auch schlagkräftig wird. Ihnen gehört das Terrain unterhalb der von Katja Haß auf die Bühne gestellten Wohnbox. Dort wird in sehr suggestiven Choreografien von Suzan Demircan zunächst Schlagtechnik und Furchtlosigkeit geübt und anschließend der Männerwelt das Fürchten gelehrt. Am Ende zieht sogar Sarahs großkotziger junger Freund Leon (Fabian Dott) Leine, um nicht Prügel zu kassieren.

Abseits des handfesten Kampfgeschehens verzichtet Dröse auf fantasievolle Theaterbilder, sondern bleibt lieber hautnah an ihren Figuren und deren Auseinandersetzungen. Dass diese mitunter etwas didaktisch wirken, ist auch der Buchvorlage geschuldet. Dass sie brandaktuell und für Teile der Zuschauer durchaus schmerzhaft sind, ist Autorin und Regisseurin gleichermaßen zu verdanken. Erkenntnis und Wut halten sich die Waage. Solange sich nichts ändert, ist es "eine Wut, die bleibt". - Am Ende bricht die Mädchengang auf zu neuen Ufern. Wohin? "Egal, Frauen wie wir werden überall gebraucht."

(S E R V I C E - Mareike Fallwickl: "Die Wut, die bleibt". In einer Dramatisierung des gleichnamigen Romans von Jorinde Dröse und Johanna Vater, Regie: Jorinde Dröse, Bühne: Katja Haß, Kostüme: Juliane Kalkowski, Musik: Jörg Kleemann. Mit Johanna Bantzer - Helene, Anja Herden - Sarah, Nellie Fischer-Benson - Lola, Max Landgrebe - Johannes, Fabian Dott - Leon, Hanh Mai Thi Tran - Sunny, Yasmin Mowafek - Alva, Sophie Casna - Femme. Die Uraufführung ist eine Koproduktion mit dem Schauspiel Hannover. Salzburger Landestheater. Weitere Vorstellungen: 21., 23., 24., 25., 28. und 29. August; www.salzburgerfestspiele.at; Marlene Fallwickl: "Die Wut, die bleibt", Rowohlt, 384 Seiten, 22,40 Euro; Hörspielfassung am 26.8., 14 Uhr, auf Ö1)

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  • Großer Erfolg für die letzte Schauspielproduktion der Salzburger Festspiele. Die Dramatisierung des grandiosen Romans "Die Wut, die bleibt" von Mareike Fallwickl wurde am Freitagabend am Ende der Premiere im Landestheater mit viel Jubel und Standing Ovations bedacht. Männer bekamen in der zweistündigen Aufführung ganz schön eingeschenkt, doch auch Frauen, die sich die Spielregeln des Lebens von Männern diktieren lassen, kamen nicht gut weg.