APA/APA/THEATER IN DER JOSEFSTADT/MORITZ SCHELL

Peter Turrinis Revolutionsstück nun an der Josefstadt

Die Revolution ist aus Niederösterreich nach Wien gekommen, und es hat ihr gutgetan. Ein halbes Jahr nach der Uraufführung von Peter Turrinis Stück "Es muss geschieden sein" über die 1848er-Revolution bei den Raimundspielen Gutenstein ist Stephanie Mohrs Inszenierung plangemäß ans Theater in der Josefstadt übersiedelt. Dass etwas gestrafft und auf die Pause verzichtet wurde, hat dem nun 100-minütigen Abend nicht geschadet. Der Applaus bei der gestrigen Premiere war groß.

Besonders herzliche Beifallskundgebungen konnte sich der Dichter beim Schlussapplaus abholen. Peter Turrini ist seit langem Josefstädter Hausdichter und wird dafür geliebt - auch wenn ein Stück wie "Es muss geschieden sein" deutlich mehr Volkstheater ist als so manches aus seiner Feder stammende Kammerspiel, das hier in den vergangenen Jahren gezeigt wurde. Das Auftragswerk ist so politisch wie poetisch, hat sowohl in seiner Haltung zu den gezeigten Vorgängen wie in der verzweifelten Liebe zum Theater etwas Bekenntnishaftes und gibt auch ein wenig Geschichtsunterricht. Es zeigt, dass der Dichter Turrini, dem der Tod nach eigener selbstironischer Aussage selbst beim Nordic Walking auf den Fersen bleibt, noch immer der Alte ist. Was einer nostalgischen Note freilich nicht entbehrt.

Es hat Stephanie Mohrs Inszenierung gut getan, dass sie sich nun nicht mehr in der Weite des Gutensteiner Theaterzelts opulent entfalten kann, sondern auf der Bühne der Josefstadt komprimiert und nachgeschärft wird. Das nimmt ihr den Schuss Operettenhaftigkeit, den die Regie im Sommer hatte. Dass Ausstatterin Miriam Busch die zwei vordersten Seitenlogen als offene Garderoben einbezieht, wäre gar nicht nötig gewesen. Der Gegensatz zwischen der Fantasiewelt im Theater und dem realen Gemetzel vor dem Theater ist freilich weiter verwaschen. Die Kampfgeräusche kommen vom Band. Drinnen wie draußen dasselbe: Inszenierung. Der Tod trägt Theatermaske.

Das beraubt leider das Stück um jene Bruchlinie, um die herum Turrini seine Handlung gebaut hat: Im März 1848 probt eine kleine Theatertruppe Ferdinand Raimunds Zaubermärchen "Der Bauer als Millionär", während das Landhaus in der Herrengasse gestürmt wird und die Kaiserlichen mit den Aufständischen in den Straßen kurzen Prozess machen. Adam Holzapfel, vom Autor als Erzähler und Verbindungsmann zum Publikum eingesetzt, kennt beide Welten: Als Füsilierer verdient er sich im Erschießungskommando sein karges Brot, als Hausmeister des Theater erliegt er dem Reiz des Bühne und dem Charme der jungen Schauspielerin Zäzilie, die ihn mit "Brüderlein fein" umgarnt. Günter Franzmeier und Johanna Mahaffy machen das ganz hervorragend. Ähnlich geht es dem Studenten Karl (Julian Valerio Rehrl), der sich von den Barrikaden ins Theater flüchtet und gleich ebenfalls als Einspringer verpflichtet wird. Mit dem Unterschied: Ihn schmachtet Zäzilie nicht nur professionell an ...

Der kurze Sommer der Anarchie geht vorüber, die Konterrevolution gewinnt im Herbst Oberhand, die Spitzel haben vermeldet, wer seine Freiheit zu sehr ausgelebt hat, und der Füsilierer bekommt neue Arbeit. Doch der legt das Gewehr, das er eben noch auf Zäzilie angelegt hat, im letzten Moment beiseite. "Ich such mir eine andere Profession." Ein Hoffnungsschimmer.

An zwei Positionen wurde das Ensemble seit Gutenstein verändert: Michael Dangl spielte bei der Wien-Premiere den blasierten Schauspieler Ludel, der es nur dank seiner Spitzeldienste doch noch ans Burgtheater schafft, und Hausherr Herbert Föttinger schreitet als Tuchhändler (und Vater des aufrührerischen Studenten) über die Bühne, als hätte Charles Dickens ihn geschickt. "Und dieses Milieu hier, willst du hier verkommen?", schilt er einmal seinen Sohn. "Wenn es das Burgtheater wäre, bitte, aber das hier macht mir doch eher den Eindruck einer heruntergekommenen Wanderbühne." Diesen todsicheren Lacher holt er sich direkt an der Rampe ab. Augenzwinkernde Selbstironie geht immer.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Peter Turrini: "Es muss geschieden sein". Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild und Kostüme: Miriam Busch, Musikalische Leitung und Komposition: Wolfgang Schlögl. Mit Günter Franzmeier, Michael Dangl / Alexander Strobele, Susanna Wiegand, Johanna Mahaffy, Alexander Strömer, Thomas Frank, Herbert Föttinger / Johannes Seilern, Julian Valerio Rehrl. Theater in der Josefstadt, Kooperation mit den Raimundspielen Gutenstein. Nächste Vorstellungen: 12., 16., 23., 26., 29.1., Karten: 01 / 42700-300, www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Ein halbes Jahr nach der Uraufführung von Peter Turrinis Stück "Es muss geschieden sein" über die 1848er-Revolution bei den Raimundspielen Gutenstein ist Stephanie Mohrs Inszenierung plangemäß ans Theater in der Josefstadt übersiedelt.
  • Das nimmt ihr den Schuss Operettenhaftigkeit, den die Regie im Sommer hatte.
  • Der Gegensatz zwischen der Fantasiewelt im Theater und dem realen Gemetzel vor dem Theater ist freilich weiter verwaschen.