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Performance am Heldenplatz gab "Einblick in die Grausamkeit"

Die Männer zu Pferd am Wiener Heldenplatz, Prinz Eugen und Erzherzog Karl, bekamen am Mittwoch eine Show sondergleichen zu sehen. Gerade weil dieser Ort mit so viel Machismo aufgeladen ist, feierte das Schauspielhaus Wien hier die Uraufführung von "DU HERBERT". Dabei speiten Frauen misogyne Hasstiraden. Da blieb das Blut nicht nur an den Scheiben kleben. Eine Kritik an Gewalt von Männern.

"Ziehe gleich in der Folge warum auch nicht mein Messer und schlage zuerst meine Freundin und halte dann dieser samt einem Haberer da das Messer vor die Marille, denn hierzu ist ein Messer da!" Das ist ein Auszug aus dem "Herbert-Evangelium" nach Lydia Haider, Judith Goetz und Marina Weitgasser. Die drei Frauen haben die Normalisierung männlicher Gewalt zuerst in ein Buch (das vor wenigen Wochen im Haymon Verlag erschienen ist) und jetzt in eine Performance, eine finstere Heilsbotschaft, verwandelt. Verkündet wurde diese gestern Abend unter der rasanten Regie von Antje Schupp mit Wucht und Wut im Bauch von den Schauspielerinnen Clara Liepsch und Vera von Gunten. "Ich bin Herbert, und mein Leib ist dein Leib", heißt es hier.

Nicht unweit unter dem Balkon, von dem im März 1938 Adolf Hitler vor einer delirierten Menge den Eintritt seiner Heimat ins Deutsche Reich verkündete, hat das Schauspielhaus Wien einen Glascontainer aufgebaut, in den man auch von außen ohne Ticket hineinschauen kann. "Demonstrativ" hat man diesen symbolträchtigen "großteils mit männlicher Macht konnotierten Platz Ort" ausgewählt, heißt es vom Theater. Napoleon schuf ihn, als er die alte Stadtmauer sprengen ließ.

Aber warum mit den Gedanken in die Ferne schweifen, wenn die Gewalt in der Gegenwart so nahe liegt. Der Boden, auf dem die beiden Schauspielerinnen stehen, ist übersäht mit ausgedruckten, blutverschmierten Berichten über Gewaltdelikte, die im Jahr 2020 auf der Start-Seite von orf.at zu finden waren, darunter 31 Frauenmorde. "Sohn misshandelt Mutter schwer", "Baby zu Tode geschüttelt", "Freundin angezündet". Im Laufe des etwa 70-minütigen Abends werden über 440 solcher Headlines in einem Marathon der Gewalt an die Wand projiziert und von den Akteurinnen kommentiert, auseinandergenommen und bespielt. Ein Kloß-Gefühl im Hals lässt sich bei einer solch traurigen Realität nur schwer unterdrücken.

Mit "Herbert" ist nicht ein Einzelner gemeint (und auch kein österreichischer FPÖ-Politiker), sondern ein frauenfeindliches Phänomen, dessen Gewalt sich in vielerlei Gestalt entlädt. Eine Frau wird mit Franzbranntwein angezündet. Eine andere mit einem Kopfkissen erstickt. Wieder eine andere wird mit einem Fondue-Spieß erstochen. Unterdessen hat ein Mann in der Steiermark eingerahmte Bilder von Adolf Hitler in seiner Wohnung aufgehängt. An der Wand hinter den Schauspielerinnen hängt eine Galerie von Waffen: Maschinengewehre, Messer, Hammer und mehr. "Warum ich so viele Waffen brauche?", fragt Liepsch rhetorisch. "Damit ich meiner Frau zeigen kann wo der Hammer hängt!"

Die Darstellerinnen spielen mit viel Hingabe. Mal schwillt ihnen die Brust an, mal würgen sie sich, mal brüllen sie, mal lachen sie höhnisch, mal pfeifen sie einer Gruppe von Männern hinterer, die draußen vor dem Container am Heldenplatz stehen. Sie schütten das Blut aus ihren Kelchen. Das ist nicht das Blut Christi in dieser Geschichte. Das ist das Blut von Frauen - das dann auch am Zuseher kleben bleibt (keine Sorge, es werden weiße Schutzanzüge und -brillen zur Verfügung gestellt).

So ziemlich jeder bekommt hier sein Fett ab, die Kirche, das katholische Österreich. "Heimat bist du toter Töchter" heißt dann auch ein dazu passendes Begleitbuch von Yvonne Widler, das im vergangenen Jahr erschienen ist. Kritik gibt es auch am ORF, der in seiner medialen Berichterstattung oft in verharmlosender Weise von "Beziehungstaten" und "eskalierten Streits" spricht. Der Mord an einer Frau werde dann gerne als "Ehedrama" oder "Affekthandlung" verharmlost.

Gegen Ende des "Evangeliums", wenn sich die beiden Frauen zu ihrem Crescendo aufbäumen und "Herbert" eine Spur von Frauenleichen hinterlassen hat, hat sich draußen am Heldenplatz schon eine Schar von Neugierigen versammelt. Schaulustige drücken ihre Gesichter an die mit Kunstblut bespritzen Scheiben. Eine Gruppe von Männern trinkt Dosenbier. Daneben macht ein junges Mädchen ein Herz mit ihren Fingern für die Schauspielerinnen. Man kann nach diesem Abend fast nicht anders, als ein wenig Angst um sie zu haben. Aber ihre Geste ist auch das schönste Kompliment.

(S E R V I C E - "DU HERBERT - Ein Einblick in die Grausamkeit" von Lydia Haider, Judith Goetz, Marina Weitgasser. Uraufführung. Regie: Antje Schupp, Raum: Christoph Rufer, Antje Schupp, Kostüme: Christoph Rufer, Musik: Martin Gantenbein. Mit Vera von Gunten und Clara Liepsch. Bis 5. April (jeden Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag jeweils ab 19 Uhr), Heldenplatz, Treffpunkt und Abendkassa im Foyer des Hauses der Geschichte Österreich (hdgö), ein Museumsbesuch ist im Eintrittspreis des Theaterstücks inkludiert. Am 31. März findet im Anschluss an die Vorstellung ein Publikumsgespräch mit "Claim the Space" zum Thema feministischer Aktionismus und Femizide statt. www.schauspielhaus.at/du_herbert )

ribbon Zusammenfassung
  • Die Männer zu Pferd am Wiener Heldenplatz, Prinz Eugen und Erzherzog Karl, bekamen am Mittwoch eine Show sondergleichen zu sehen.
  • Gerade weil dieser Ort mit so viel Machismo aufgeladen ist, feierte das Schauspielhaus Wien hier die Uraufführung von "DU HERBERT".
  • "Sohn misshandelt Mutter schwer", "Baby zu Tode geschüttelt", "Freundin angezündet".
  • Der Mord an einer Frau werde dann gerne als "Ehedrama" oder "Affekthandlung" verharmlost.