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Opulentes "Der König und ich" in Mörbisch

Der Wettergott hat es mit den Seefestspielen gut gemeint: Blieb es während der Open-Air-Premiere von "Der König und ich" trocken, ergoss sich kurz darauf Platzregen über die Mörbischer Sommernacht. Vor der nassen Heimreise sah man am Donnerstag ein Musical, das in der Bühnengestaltung nicht mit Reizen geizte. Simon Eichenbergers Inszenierung um eine Engländerin am siamesischen Hof bleibt leicht verdaulich und unterhaltsam, leidet im zweiten Akt aber unter ihrer Länge.

Beruhend auf einer wahren Begebenheit, schickt das Musical des Duos Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II die Engländerin Anna Leonowens nach Siam (das heutige Thailand), um den zahlreichen Kindern des Königs sowie seinen ebenso zahlreichen Frauen Englisch und die westliche Lebensart näherzubringen. Freundschaft, aber auch Hürden tun sich zwischen der Engländerin und dem Siamesen auf: Von Kok-Hwa Lie nicht unsympathisch, aber durch und durch arrogant dargestellt, will sich Letzterer zwar dem Westen zuwenden und westlicher herrschen, tut sich aber schwer, einen Mittelweg zwischen alter Tradition und neuen Sichtweisen zu finden. Milica Jovanovic gibt Anna als moralisch überlegene, romantische Heldin, die sich währenddessen auf die schier aussichtslose Mission begibt, den Feminismus in Siam zu etablieren.

Schnell gewinnt die verwitwete Lehrerin ihre Schüler lieb, was sie in einer deutschen Version von "Getting to Know You" mit musicalgetreuer heller und klarer Stimme besingt. Ihr Repertoire kann Jovanovic zeigen, wenn sie ihrer Wut über den chauvinistischen König in "Shall I Tell You What I Think of You?" freien Lauf lässt. Dann werden rauere, schrillere Töne angeschlagen; immer wieder fließen auch exotische Elemente in die Musik ein. Der König nimmt Annas Unterstützung im Umgang mit dem Westen schließlich an, will er sich doch der Behauptung, er sei ein Barbar, widersetzen. Zuvor muss jedoch einer der klügsten Dialoge des Stücks stattfinden: Hauptfrau Lady Thiang (Leah Delos Santos) weist Anna an, dem König Rat anzubieten, ohne das klar auszusprechen.

Über all dem steht ebenso unausgesprochen das Thema Kolonialismus und die unhinterfragte Annahme, dass die Ideale des Englands der 1860er-Jahre jenen Siams überlegen sind. Gerade erst in Bangkok angekommen, spricht Annas Sohn Louis (Samuel Wegleitner) das so aus: Die Menschen würden "alle recht schrecklich" aussehen. "Der König und ich" bleibt allerdings weit entfernt von einer Aufarbeitung komplexer weltpolitischer Beziehungen. Rodgers und Hammerstein - bei den Seefestspielen Regisseur Eichenberger - setzten vielmehr auf Frohsinn und leicht verdaulichen Humor.

"Et cetera, et cetera, et cetera" wiederholt der König eines der ersten gelernten Worte bei jeder Gelegenheit. Annas breiter europäischer Rock bringt seine Frauen zu dem Schluss, dieser entspreche ihrer Figur. Und auch ein Spielchen, das mit einer auf dem Boden liegenden Anna endet, weil deren Kopf sich nicht über dem des Königs befinden darf, fußt auf der Annahme einer dem Kulturen-Clash immanenten Komik.

In der Frage, wie man diese Geschichte erzählt, ist Sparsamkeit die Sache der Seefestspiele nicht. Feuerwerk und Wasserspiele während der Show und eine Vielzahl an hübschen Kostümen zieren die Inszenierung. Opulent und bunt wie das Innere eines buddhistischen Tempels türmt sich über dem Neusiedler See die Kulisse, unter anderem ein riesiger goldener Palast, auf. Die größte Bühnenfassung dieses Musicals, die es jemals gegeben hat, sei hier zu sehen, erzählte Generalintendant Alfons Haider vor Beginn. Mehr als die Inszenierung, die im zweiten Akt unter ihrer Länge leidet, wird wohl die Seebühne in Erinnerung bleiben.

(S E R V I C E - "Der König und ich" von Rodgers und Hammerstein bei den Seefestspielen Mörbisch. Regie: Simon Eichenberger, Musikalische Leitung: Michael Schnack, Bühnenbild: Walter Vogelweider, Kostüme: Charles Quiggin und Ales Valasek. Mit u.a. Milica Jovanovic, Kok-Hwa Lie, Vincent Bueno, Samuel Wegleitner und Leah Delos Santos. Weitere Termine bis 15. August. www.seefestspiele-moerbisch.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Wettergott hat es mit den Seefestspielen gut gemeint: Blieb es während der Open-Air-Premiere von "Der König und ich" trocken, ergoss sich kurz darauf Platzregen über die Mörbischer Sommernacht.
  • Simon Eichenbergers Inszenierung um eine Engländerin am siamesischen Hof bleibt leicht verdaulich und unterhaltsam, leidet im zweiten Akt aber unter ihrer Länge.