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Monika Helfer schrieb 365 "Geschichten für jeden Tag"

Ein über 750-seitiges Buch von Monika Helfer? Von der "Meisterin der kurzen Form" ("Die Zeit"), deren Familienromane "Die Bagage", "Vati" und "Löwenherz" allesamt mit weniger als 200 Seiten ausgekommen sind? Doch, das gibt es jetzt, und die Vorarlberger Autorin ist auch ganz stolz auf den Umfang von "Wie die Welt weiterging". Der Trick ist jedoch: Es sind, wie der Untertitel verrät, "Geschichten für jeden Tag" des Jahres. Also 365. Und kaum eine ist länger als zwei Seiten.

Ist es nun ein Tagebuch? Ein Jahrbuch? Vor allem natürlich ist es ein Geschichtenbuch. Und das ist gut so. Denn Geschichten erzählen kann Helfer. Es beginnt mit einer Journalistin, die die gleichen Ohrringe trägt wie die Erzählerin, und endet mit der Wiederbegegnung eines Paares nach elf Jahren, bei der ein Brieföffner aus Elfenbein und ein Messer mit scharfer Klinge Nebenrollen spielen.

Dazwischen liegen 363 weitere Short Storys, von denen regelmäßige Leserinnen und Leser der "Vorarlberger Nachrichten" so manche kennen dürften, und die in ihrer Vielfalt an Sujets und Personen vor allem von der Reichhaltigkeit erzählen, die das Leben an Inspirationsquellen bereithält. Helfers Buch ist ein Vademecum, ein Lebensbegleiter, das allerdings nicht, wie andere Bücher, den Jahreskreis mit allen seinen Jahreszeiten und Feiertagen mit Geschichten begleitet, sondern darüber erzählt, wie die Autorin in ihrem Lebensalltag ununterbrochen zum Weiterdenken, Weiterspinnen, Niederschreiben inspiriert wird.

Da geht es um Amselmännchen und Glühbirnen, um schnarchende Männer, Voodoopuppen und "Das kleine Glück des Alltags", um Tabletten und die Äffin Cosima, um eine "Gespensterarmee des Cyberspace" und einen kleinen Mann auf dem Friedhof. Es gibt Dialoge (etwa zwischen Psychiater und Patient oder zwischen zwei Witwen), Begegnungen, Märchen, einen ganzen Korb voll mit Liebesbriefen aus vergangener Zeit und viele Fragen: "Kenne ich Sie?", "Kann ich bei dir schlafen ?", "Wie weiß ich, wer ich bin ?", "Wie alt ist Ihre Seele ?". Alleine aus den Titeln ihrer Geschichten lassen sich mühelos mehrere Romane konstruieren.

Es gibt auch eine Verschwörung: "Als die Wörter sich nicht mehr so fügten, wie die Schriftstellerin es wollte, bekam sie Panik und dachte an eine Verschwörung. Sobald sie sich an ihren Schreibtisch setzte, fielen ihr nur banale Dinge ein." Alles nur ein Traum. An Schreibblockade leidet weder die Autorin noch ihr lyrisches Ich. Das schreibt als nächstes einen Kriminalroman. "In erster Linie möchte ich herausfinden, ob ich es kann. Mein Kommissar soll ein schlafsüchtiger Mensch sein, tüchtig in seiner Arbeit, aber kaum dass er über seine Türschwelle tritt, überfällt ihn die Müdigkeit."

Dagegen ist freilich kein Kraut gewachsen und kein Buch geschrieben. Doch sie lässt sich bekämpfen - etwa durch portionsweise Lektüre. In Maßen genossen, können diese "Geschichten für jeden Tag" durchaus anregende Wirkung entfalten. Einzunehmen idealerweise einmal täglich. Über Wirkung und unerwünschte Nebenwirkungen muss man sich weder beim Arzt noch beim Buchhändler informieren. Mit der Lektüre kann gefahrlos jederzeit begonnen werden. Selbst bei Schwangerschaft und Bluthochdruck. Dass man dabei erfährt, "Wie die Welt weiterging", darf man freilich nicht erwarten. Aber wie heißt schon Geschichte Nummer 19? "Was wissen wir schon!"

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Monika Helfer: "Wie die Welt weiterging. Geschichten für jeden Tag", Hanser Verlag, 768 Seiten, 32,90 Euro; Lesungen am 22. Oktober im Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30, am 5. November, 19.30 Uhr, im Theater Kosmos, Bregenz, Mariahilfstraße 29)

ribbon Zusammenfassung
  • Monika Helfer hat mit 'Wie die Welt weiterging' ein 768-seitiges Buch mit 365 kurzen Geschichten veröffentlicht, das im Hanser Verlag für 32,90 Euro erhältlich ist.
  • Die Geschichten, von denen viele aus den 'Vorarlberger Nachrichten' bekannt sind, decken eine Vielzahl von Themen ab und sind meist nicht länger als zwei Seiten.
  • Das Buch dient als täglicher Begleiter und Inspirationsquelle, mit Lesungen am 22. Oktober in Graz und am 5. November in Bregenz.