APA/APA/Herwig Höller

Max Trutt: Russischer Ex-Journalist nun als Künstler in Wien

Heute, 09:11 · Lesedauer 4 min

Anderthalb Jahrzehnte lang galt Maxim Trudoljubow als einer der relevantesten Redakteure Russlands und verantwortete die Meinungsseiten einer führenden liberalen Zeitung. Nun lebt der 2024 vom russischen Staat als "Auslandsagent" stigmatisierte Trudoljubow zwischen Vilnius und Wien und hat sich im Exil als bildender Künstler Max Trutt neu erfunden. Seine allererste Einzelausstellung ist seit dem Wochenende in der Galerie einer iranischen Künstlerin in Wien-Neubau zu sehen.

Nachdem er bereits in den 90ern als Journalist in Moskau tätig war, hatte Trudoljubow in den ersten Jahren der Ära Putin die 1999 gegründete Tageszeitung "Wedomosti" mitaufgebaut und dort bis 2015 die wichtigsten russischen Meinungsseiten geleitet. Er prägte damit maßgeblich den Diskurs jener russischen Eliten, die sich ein marktwirtschaftliches, westlich orientiertes und pluralistisches Land wünschten. Langzeitpräsident Wladimir Putin setzte diesen Ambitionen sukzessive ein Ende - der Überfall auf die Ukraine war dabei ein finaler Paukenschlag. Trudoljubow verließ seine Heimat und wirkte als angesehener Russlandexperte für westliche Thinktanks - zuletzt etwa 2024 für das Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) in Wien.

Im Exil tritt er nun aber auch als Künstler auf, unter dem für westliche Ohren deutlich einfacheren Namen Max Trutt. Etwa 35 Bilder sind bis Mitte März nun in der Maya Galerie in der Wiener Burggasse zu sehen, die von der Teheraner Künstlerin Maryam Mansouri betrieben wird. Eine geplante Zusammenarbeit mit einer anderen Wiener Privatgalerie, deren Besitzer russische Wurzeln haben, war zuvor zur großen Verwunderung Trudoljubows an seiner Brandmarkung als "Auslandsagent" durch das russische Justizministerium gescheitert.

Selbst sei er in seiner neuen Funktion etwa ein Jahr alt und somit noch fast im Säuglingsalter, scherzt der 55-Jährige im Gespräch mit der APA. Obwohl ihm bewusst sei, keine neue Kunstströmung zu begründen, sei ihm in den vergangenen Jahren zunehmend bewusst geworden, dass er es äußerst bedauern würde, wenn er sich nicht mit Kunst beschäftigen würde. "Ich habe zu lange Zeit zu viel gesprochen", sagt er.

Bilder einer brutalen Modernisierung

Dass sich der Journalist als bildender Künstler neu erfinden konnte, hat freilich jedoch auch mit soliden handwerklichen Fertigkeiten zu tun, die er sich Anfang der 90er in einem nicht abgeschlossenen Studium am renommierten Moskauer Architekturinstitut MARCHI aneignen konnte. Er habe damals dort einen sehr traditionellen Zeichenunterricht gegeben, auch seien vor dem Aufkommen von Computerprogrammen komplexe Architekturprojekte noch von Hand gezeichnet worden, erzählt er.

Deutlich zeigt sich diese ästhetische Sozialisierung etwa in jenen drei düsteren, großformatigen Acrylbildern, die an freie Architekturfantasien erinnern. Etwa im Triptychon "Stadt auf einem Hügel" - so auch der Ausstellungstitel - reflektiert er sichtlich auch im Geist des sowjetischen Schriftstellers Andrej Platonow über die brutale Modernisierung und Industrialisierung der Sowjetunion während des Stalinismus: Neben wilden Bauaktivitäten auf einem Hügel und vielen Häuschen malte der Künstler Tiere, die sich auf improvisierten Straßen bewegen. "Als die Stadt Magnitogorsk gebaut wurde, hat man einfach Bauern auf ein Feld gejagt und sie gezwungen, dort zu graben. Sie wussten nicht, wozu sie es machen, man hat es ihnen nicht erklärt", erläutert Trutt.

Kunst als Gegenpol zum abgehobenen Expertentum

Selbst erachtet sich Trudoljubow mitverantwortlich für eine weitere Modernisierung Russlands, die er als Redakteur einflussreicher Meinungsseiten begleitet hatte und die er nun für problematisch erachtet. "Wir waren in diesen Jahren unglaublich hochmütig in Bezug auf die russische Gesellschaft, forcierten - freilich aus guter Absicht - eine einigermaßen lineare Westernisierung in vielen Bereichen des Lebens", blickt er kritisch zurück. Der Künstler wolle er nun jedoch kein abgehobener Experte sein, der erkläre, wie sich Russland entwickeln solle, sondern fühle mit den Menschen, die irgendwohin verbracht worden seien, ohne das geplant zu haben.

Die dominierende Darstellung von Tieren - in den vielen ausgestellten Bildern sind etwa mehr oder minder bunt gemalte Esel, Ziegen oder auch Hasen auf Schildkröten zu sehen - begründet Trutt damit, dass dies vor allem eine Möglichkeit sei, über den Menschen zu reflektieren. Denn Fabeln und Gleichnisse seien eben nicht die Sprache der Elite, sondern von jenen unteren Schichten, die sich fürchteten.

(Das Gespräch führte Herwig Höller/APA)

(S E R V I C E - "Max Trutt. City Upon a Hill" in der Maya Galerie Wien, Burggasse 89, 1070 Wien bis 15. März. https://maya-galerie.at)

Zusammenfassung
  • Maxim Trudoljubow, einst einflussreicher russischer Journalist, lebt nun als Künstler Max Trutt im Exil in Wien und stellt in der Maya Galerie etwa 35 Bilder aus.
  • 2024 wurde er vom russischen Staat als 'Auslandsagent' stigmatisiert, was seine geplante Zusammenarbeit mit einer anderen Wiener Galerie verhinderte.
  • Trudoljubows Ausstellung 'City Upon a Hill' reflektiert die Modernisierung der Sowjetunion und nutzt Tierdarstellungen, um menschliche Themen zu beleuchten.