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"Malyschki 18:22" zu Gast in Wien, in Russland unter Druck

Obwohl Russlands Krieg gegen die Ukraine die Zusammenarbeit zwischen österreichischen und russischen Kunstinstitutionen zum Erliegen brachte, ist in Österreich der Kontakt zur unabhängigen russischen Kunstszene nie abgebrochen. Zu verdanken ist dies auch der Initiative des Kurators Simon Mraz, ehemals Leiter des österreichischen Kulturforums in Moskau. Auf seine Einladung weilt etwa derzeit mit "Malyschki 18:22", eine angesagte Künstlerinnengruppe aus Sibirien, in Österreich.

"Alle Menschen sind Schwestern" ist nicht nur ein Technosong von "Malyschki 18:22" ("Die kleinen Mädels 18:22", Anm.), sondern war am Samstagabend auch der Titel einer improvisierten Performanceveranstaltung, zu der diese Gruppe gemeinsam mit Kolleginnen in ein Ateliergebäude in Wien-Leopoldstadt eingeladen hatte. Die stets im Partnerlook auftretenden Schwestern Aksinja und Nika Sarytschewa, Jahrgang 1990 und 1999, krönten damit einen zu Ende gehenden Aufenthalt in Österreich, der von ihnen insbesondere auch zum Knüpfen neuer Kontakte verwendet worden war.

Die beiden Mehrspartenkünstlerinnen mit Faible für Popkultur, hinter deren lieblicher Inszenierung als kleine Mädchen vielfach ein doppelter Boden steckt, gelten nicht nur im heimatlichen Tomsk mittlerweile als herausragende Vertreterinnen einer jungen sibirischen Kunstszene. Gleichzeitig weht ihnen in der Heimat aber ein kalter Wind entgegen und das hat nichts mit dem Kontinentalklima Sibiriens zu tun: Im April 2024 kam es an ihrem Wohnort zu einer fragwürdigen Hausdurchsuchung, die mit Ermittlungen gegen den Moskauer Aktionskünstler und Ex-Produzenten von Pussy Riot, Pjotr Wersilow, begründet wurde. Wie Dutzende andere Künstlerinnen und Künstler in ganz Russland werden auch Aksinja und Nika Sarytschewa in diesem Strafverfahren als "Zeuginnen" geführt, obwohl sie konkret nie mit Wersilow in Kontakt waren und auch mit seinen Aktivitäten nie etwas zu tun hatten.

Ermöglicht wurde dieser Österreich-Aufenthalt der Schwestern - es handelte sich gleichzeitig um ihre erste Auslandsreise - durch Artmov, einem 2023 gegründeten Verein "zur Förderung künstlerischer Mobilität und zivilgesellschaftlich-demokratischen, geistigen Austauschs zwischen Russland, Belarus und dem westlichen Europa". Insbesondere - so heißt es in einem Statement auf der Vereinshomepage - gilt es in ihrer Heimat unter Druck stehende und gleichzeitig auch im westlichen Ausland mit Problemen kämpfende Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Projektbezogen kooperiert wird dabei mit dem MuseumsQuartier in Wien sowie dem Außen- und Kulturministerium. Letzteres förderte zuletzt etwa ein vom Verein initiiertes und vom Belvedere 21 umgesetztes Symposium, das sich im November mit Künstlerinnen und Künstlern in russischer Haft beschäftigte.

Mastermind und Obmann von Artmov ist der Kurator Simon Mraz, der zwischen 2009 und 2021 das österreichische Kulturforum in Moskau geleitet hatte und in diesen Jahren mit Ausstellungen in seiner Moskauer Privatwohnung zu einer fixen Größe der russischen Kunstszene avanciert war. Auch nach seiner Rückkehr nach Österreich - Mraz ist seit damals als freier Dienstnehmer in der Kultursektion des österreichischen Außenministeriums tätig - sei es ihm ein Anliegen gewesen, sich weiter mit zeitgenössischer Kunst aus Russland zu beschäftigen. Zudem sei er zudem nach dem 24. Februar 2022 auch von russischen Künstlerinnen und Künstlern um Unterstützungsbriefe im Zusammenhang mit Emigration oder Flucht ersucht worden, erklärte er in einem Gespräch mit der APA am Donnerstag. "In vielen Fällen konnte ich schreiben, dass es eine Kooperation mit dem österreichischen Kulturforum in Moskau gegeben hat", erzählte er.

Einen Anstoß zu den nunmehrigen Aktivitäten habe es im Zusammenhang mit einer Privatreise nach Moskau 2023 gegeben, über die er einen Reisebericht geschrieben und in Wien verteilt habe. Zum im Bericht geäußerten Vorschlag, auch aus Österreich Aktivitäten mit der russischen Kunstszene zu setzen, habe es in Wien positive Rückmeldungen gegeben. Eine erste Einladung sei schließlich an die auf elektronische Installationen spezialisierte Künstlergruppe "Where Dogs run" aus Jekaterinburg ergangen, die zwischen April und Juni 2023 mit Unterstützung des österreichischen Außenministeriums im Wiener MuseumsQuartier in Wien lebten und arbeiteten. Mit der Künstlerin und Dichterin Lisa Neklessa sowie dem Maler Pjotr Kirjuscha waren 2024 zudem aufstrebende Vertreter einer jungen Moskauer Künstlergeneration Artist-in-Residence in Österreich.

Er wollte interessanten Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit aus Russland geben, eine Erfahrung im Ausland zu machen und Interessierten in Österreich die Chance geben, sie kennenzulernen, beschrieb Mraz sein Konzept. "Aber die eingeladene Person sollte unbedingt selbst entscheiden können, wie sehr sie sich exponiert und ob sie nur im Studio sitzt, sich ein bisschen die Kunstszene hier anschaut, etwas Kritisches macht oder nicht", erläuterte der Kurator. Selbst sitze er schließlich bequem in Österreich und könne daher die Frage, was für seine russischen Gäste sicher sei und was nicht, auch nicht beantworten, betonte er.

ribbon Zusammenfassung
  • Die sibirische Künstlerinnengruppe 'Malyschki 18:22' ist derzeit in Österreich zu Gast, eingeladen durch den Kurator Simon Mraz.
  • Aksinja und Nika Sarytschewa, geboren 1990 und 1999, stehen in Russland unter Druck und wurden im April 2024 Zeuginnen in einem fragwürdigen Strafverfahren.
  • Der Aufenthalt in Österreich ist ihre erste Auslandsreise, ermöglicht durch den 2023 gegründeten Verein Artmov.
  • Artmov fördert den künstlerischen Austausch zwischen Russland, Belarus und Europa und wird vom österreichischen Außen- und Kulturministerium unterstützt.
  • Simon Mraz, der von 2009 bis 2021 das Kulturforum in Moskau leitete, setzt sich weiterhin für die russische Kunstszene ein.