Lucina Childs gastiert mit zwei Arbeiten bei ImPulstanz
Im Gespräch mit der APA gibt die Grande Dame der Choreografie Einblicke in ihre neuen Arbeiten, spricht über die Lust an der Wiederbelebung früherer Werke und die Vorzüge der Minimal Music.
APA: Sie sind dieses Mal mit zwei Arbeiten hier, der mit Spannung erwartete Höhepunkt ist Ihr Solo "Description (of a description)", bei dem Sie selbst auf der Bühne stehen. Was hat es mit dieser Performance auf sich?
Childs: Die Produktion stammt bereits aus dem Jahr 2000. Damals war ich sehr interessiert an einem Text von Susan Sontag, und es war mir tatsächlich damals möglich, sie zu treffen. Ich habe ihr gesagt, dass das ein wirklich interessantes Theaterstück wäre. Denn ich bin zwar Tänzerin und Choreografin, aber seit ich Robert Wilson kennengelernt habe, mache ich auch gerne Theaterstücke. Also haben wir es ein paar Mal in Paris gezeigt, vor zwei Jahren auch in Italien und jetzt also in Wien.
APA: Sie zeigen das Stück also nicht allzu oft ...
Childs: Nein, es ist etwas Besonderes, weil es nur 20 Minuten dauert. Es ist kein volles Programm. Hier in Wien kombinieren wir es mit Stücken von Philip Glass.
APA: Was hat Sie dazu inspiriert, dieses neue Werk zu Etüden von Philip Glass zu schaffen?
Childs: Glass feierte vor einem Jahr seinen 85. Geburtstag und aus diesem Anlass wurde eine Reihe von Choreografen eingeladen, eine Etüde aus den 20 Klavieretüden auszuwählen. Fünf Choreografen haben jeweils eine Etüde choreografiert. Dieses Werk wird hier aufgeführt, aber auch eine neue Etüde als Uraufführung.
APA: Sie arbeiten in Wien an beiden Abenden mit dem MP3 Dance Project zusammen. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dieser italienischen Kompanie?
Childs: Nun, Michele Pogliani war in den 80er Jahren ein wichtiges Mitglied meiner Kompanie. Vor einigen Jahren sind wir uns in Rotterdam wieder begegnet, wo wir beide eingeladen waren, ein Stück zu machen. Er erzählte mir von seiner Kompanie und ich dachte: Oh, das ist interessant, vielleicht können wir etwas zusammen machen. Seine Truppe ist zwar noch jung, aber sehr professionell.
APA: Wenn Sie sagen, dass die Tänzerinnen und Tänzer sehr jung sind - wie haben sich aus Ihrer Sicht die Kompanien in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Childs: Nun, ich denke, dass man Studierenden und jungen Profis nun mehr Möglichkeiten bietet. Das ist so wichtig, und ich habe es genossen, auf diese Weise zu arbeiten.
APA: In den vergangenen Jahren haben Sie immer wieder ältere Arbeiten erneut aufgenommen. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus diesen Neubefragungen Ihrer Klassiker?
Childs: Es ist wichtig für mich, denn wenn diese Stücke nicht wiederbelebt werden, können sie verloren gehen und vergessen werden. Wir haben davon zwar Filme, Bilder und Texte, aber sie sind eigentlich für die Aufführung gemacht. Ich bin also immer sehr froh, wenn ich im Laufe der Jahre die Gelegenheit dazu habe.
APA: Aber ist es ein Remake oder eine neue Interpretation?
Childs: Nun, natürlich gibt es eine gewisse Flexibilität, aber die Choreographie, die Schritte, die Beziehung der Tänzer zur Musik, all das bleibt gleich. Ich ändere nichts.
APA: Glauben Sie, dass die Arbeit eines Choreografen immer mit dem Schöpfer verbunden ist oder lebt sie weiter?
Childs: Es kommt darauf an, wie es arrangiert wird. Mit der Cunningham Foundation gibt es inzwischen eine Institution, die es bestimmten Kompanien ermöglicht, alte Choreografien neu aufzuführen. Sie speichern alles in einer Art "Kapsel": Die Beleuchtung, die Kostüme, alle Details. Wir arbeiten daran, einige meiner Werke so zu konservieren, damit sie auch von anderen Kompanien zum Leben erweckt werden können.
APA: Die Idee, "Relative Calm" wieder aufzuführen, kam Wilson und Ihnen in der Pandemie. Was hat es damit auf sich?
Childs: Das ist etwas ganz Besonderes. Wir haben "Relative Calm" damals in den 80er Jahren zusammen gemacht. Wilson wollte im Rahmen der Wiederbelebung etwas Neues machen, ich war aber mit dem alten Stück zufrieden. Wilson wollte es aber mit der Musik von John Adams kombinieren.
APA: Sie haben auch Strawinskys "Pulcinella-Suite" eingebaut. Warum haben sie dieses Stück gewählt?
Childs: Das war eine Auftragsarbeit für ein Festival in Rom. Und Strawinsky mit den postmodernen Komponisten Adams und Gibson zu kombinieren, das war für mich etwas sehr Interessantes, eine große Herausforderung. Ich habe so etwas noch nie gemacht.
APA: Das Publikum hört natürlich den Unterschied in der Musik, aber schlagen sich diese Unterschiede auch im Tanz nieder?
Childs: Ja, die Musik ist bei Strawinsky ganz anders. Aber es gibt bestimmte konzeptionelle Strukturen, die ähnlich sind, wenn man die Partitur analysiert. Und ich arbeite immer mit der Partitur als Struktur. Die gesamte Choreografie basiert auf der Struktur der Musik. Und ich denke, es ist eine Chance zu sehen, dass die Dinge unterschiedlich sind, aber nicht völlig unterschiedlich. Es gibt eine Art Verbindung, es gibt eine Brücke zwischen diesen Werken.
APA: Was macht Minimal Music so interessant für Choreografen?
Childs: In New York, woher ich stamme, kam die ganze minimalistische Tradition in den 60er Jahren auf. Die konzeptionelle Arbeit hat mich fasziniert, denn sie ist abstrakt. Alle sagen, post-minimal, das bedeutet Wiederholung. Ja, es stimmt, wir wiederholen uns, aber wir wiederholen uns nie auf dieselbe Art und Weise, und wir interessieren uns für den Prozess, dafür, was man mit dem Material machen kann, wie man damit umgeht, wie es behandelt wird. Und die Leute müssen sich auf diesen Aspekt einlassen und warten, wie sich die Dinge entwickeln ...
(S E R V I C E - ImPulsTanz: Lucinda Childs / Robert Wilson: "Relative Calm", 7. bis 10. Juli im Volkstheater; Lucinda Childs & MP3 Dance Project: "distant figure", 16. und 17. Juli im Akademietheater. www.impulstanz.com/)
Zusammenfassung
- Die US-amerikanische Tanzikone Lucinda Childs (83) ist im Rahmen des heurigen ImPulsTanz-Festivals gleich mit zwei Arbeiten zu Gast.