"Les Troyes" in Graz als musikalisch packender Abend
Zwei große Geschichten aus der griechischen Mythologie, eingebettet in eine Grand Opera mit fünf Akten - dass dieses Werk selten gespielt wird, verwundert angesichts der Kraftanstrengungen, die es braucht, um es auf die Bühne zu bringen, nicht weiter. In Graz steht diese französische Oper, die Mitte des 19. Jahrhunderts entstand, aber erst 1969 komplett aufgeführt wurde, erstmals anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des Hauses auf dem Spielplan. Rund ein Viertel der Musik wurde gestrichen, was angesichts der fein austarierten Umsetzung ein wenig schade ist. Aber auch die rund drei Stunden Musik geben sehr viel her. Von Anfang an dominiert ein Schwelgen in wunderbaren Arien, Duetten und Chorszenen, weniger ein Mitleiden oder Mitfiebern mit der Handlung.
Die Bühne zeigt eine schräge Plattform aus Holz, in der sich eine viereckige Öffnung befindet, hinten ein paar Holzwände und ganz zuletzt eine Art Gitterkäfig oder Gefängnis ganz vorne (Bühne - Henrik Ahr). Das ist praktikabel für beide Geschichten und bietet Platz für das große Ensemble. Im Mittelpunkt stehen die trojanische Seherin Kassandra und die karthagische Königin Dido, beide Opfer von Männern, beide enden durch Suizid. Kassandra leidet darunter, dass ihren Prophezeiungen niemand glaubt - der Fluch des Apoll, nachdem sie ihm nicht zu Willen war. Dido wiederum zerbricht an Aeneas, der lieber dem Ruf folgt, nach Italien zu fahren und die Gründung Roms zu bereiten als bei ihr das Liebesglück zu genießen.
Die beiden Frauen werden von Gürbaca als starke Persönlichkeiten gezeigt, die zumindest nicht still und leise, sondern mit lautem Signal die Welt verlassen. Kassandra nimmt gleich noch zahlreiche trojanische Frauen mit in den frei gewählten Tod, während Dido zuletzt den zukünftigen Römern prophezeit, dass Hannibal aus Karthago kommen werde. Das gibt Anlass für einige stimmungsvolle Bilder, wenn beispielsweise die Szene jedes Mal erstarrt, sobald Kassandra von ihren Visionen erzählt oder die weiß verschleierte Andromache die Urne ihres Gemahls Hektor vorwurfsvoll vor sich herträgt. Weniger bühnenwirksam sind die großteils trostlosen Kostüme (Barbara Drosihn), die hoffentlich im Fundus vorhanden oder aus der Altkleidersammlung waren und nicht auch noch das Budget belastet haben.
Die verbindende Figur der beiden Handlungsstränge ist Aeneas, der den ganzen Abend gefordert ist. Iurie Ciobanu entledigte sich dieser Aufgabe mit Bravour, einem höhensicheren, hellen Tenor und nicht nachlassender Strahlkraft. Eine Klasse für sich war Anna Brull als Dido, die von der zärtlichen Geliebten (wunderschön - das Duell Aeneas - Dido im 4. Akt) bis zur rachekündenden Furie alles stimmlich drauf hat. Mareike Jankowskis etwas abgedunkelte Stimme passt hervorragend zu Kassandra, der sie starke Töne verleiht, die das - bittere - Ende eindrucksvoll machen.
Eine der Hauptrollen spielt diesmal der Chor, der zusammen mit dem Extrachor eine große Aufgabe zu bewältigen hat. Unter der Leitung von Johannes Köhler ist das gelungen, so homogen und präzise hat man ihn selten gehört. Hervorragend auch Markus Butter (Chorèbe), ebenso Neira Muhic als Anna und Hécube. Will Frost geistert eindrucksvoll aus Hektors Schatten herum, und Wilfried Zelinka gibt Priamus und Narbal ein besonderes Profil.
Am Ende sind es vor allem einige starke Bilder, die optisch in Erinnerung bleiben. Insgesamt eine Aufführung, die man keinesfalls versäumen sollte, denn dieses prachtvolle Beispiel französischer Oper wird man in Graz nicht so schnell wieder zu sehen bekommen.
(Von Karin Zehetleitner/APA)
(S E R V I C E - "Les Troyens" von Hector Berlioz in der Grazer Oper. Musikalische Leitung - Vassilis Christopoulos, Inszenierung - Tatjana Gürbaca, Bühne - Henrik Ahr, Kostüme - Barbara Drosihn, Chor & Zusatzchor - Johannes Köhler. Besetzung - Enée - Iurie Ciobanu, Ascagne - Ekaterina Solunya, Der Schatten Hectors/Geist von Hector/Panthée - Will Frost, Cassandre/Geist von Cassandre - Mareike Jankowski, Chorèbe/Geist von Chorèbe/Mercure - Markus Butter, Priam/Narbal/Geist von Priam - Wilfried Zelinka, Hécube/Anna - Neira Muhić, Hélènus - Martin Fournier, Didon - Anna Brull, Iopas/Hylas - Euiyoung Peter Oh. Weitere Aufführungen am 22. und 29. Jänner, am 6., 9. und 14. Februar, am 2., 5., 8. und 30 März sowie am 11. April. https://oper-graz.buehnen-graz.com/ )
Zusammenfassung
- Die Premiere der Oper 'Les Troyens' von Hector Berlioz in Graz wurde als musikalischer Höhepunkt gefeiert.
- Regisseurin Tatjana Gürbaca brachte das Werk in traditioneller Regietheatermanier auf die Bühne.
- Trotz Streichung eines Viertels der Musik dauert die Aufführung rund drei Stunden.
- Der Chor und das Orchester unter Vassilis Christopoulos wurden für ihre herausragende Leistung gelobt.
- Die Oper wird als seltenes und prachtvolles Beispiel französischer Oper in Graz beschrieben.