Kunsthalle Wien beleuchtet Pionierinnen digitaler Kunst
"Jedes Mal, wenn ich mit Kuratoren am Tisch saß, habe ich sie nach Namen gefragt", erinnerte sich Cotton am Donnerstag bei der Pressekonferenz an die mühevolle Suche nach in der frühen digitalen Kunst unterrepräsentierten Frauen. Es sei jedoch ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen sei, wandte sie sich an Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die sie dazu aufrief, das Feld in Zukunft weiter aufzubereiten.
Oft waren es Programmiererinnen wie Inge Borchardt, die sich in ihrer Freizeit mit den Möglichkeiten befassten, mithilfe von Computern auch Kunst zu schaffen. Wie die 89-Jährige bei der Presseführung erläuterte, habe sie ab 1961 am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg gearbeitet, wo sie mit der Programmierung des Analogrechners EAI 231R befasst war. Abends schrieb sie Differenzialgleichungen, mit deren Hilfe erste grafische Werke entstanden, die nun in der Ausstellung im Kapitel "Zeros and Ones" zu erleben sind.
Hier im Erdgeschoß finden sich aber auch Werke, die ohne Maschinen entstanden sind, aber in ihrer Optik auf maschinenähnliche Gesten der Wiederholung setzen, wie etwa das "Jahrhundert-ABC" von Hanne Darboven, das mehr als ein Dutzend großformatige Arbeiten auf Papier umfasst. Als Basis für ihre Skulpturen verwendete wiederum Ruth Leavitt den Computer, indem sie abstrakte Formen digital veränderte und schließlich in Bronze goss. Somit kommt das erste Kapitel der Schau ohne jegliche Bildschirme aus, das analoge Werk steht hier im Zentrum.
Vom Computer in den Webstuhl
Im Kapitel "Software" im ersten Stock finden sich Textilarbeiten von Charlotte Johannesson, Beryl Korot und Rosemarie Trockel, die ihre unter Beiziehung von Software auf dem Webstuhl hergestellten Werke präsentieren. Die "Idee der Maschine" und deren physischer Aspekt stehen im Zentrum des Kapitels "Hardware", in dem sich etwa Gemälde von Ulla Wiggen finden, in denen sie in den 1960er Jahren Schaltkreise nachbildete. Mit der Verfügbarkeit und zunehmender Erschwinglichkeit von PCs ab den 1970er Jahren entwickelten sich schließlich neue künstlerische Ausdrucksformen wie gerenderte 3D-Grafiken in Musikvideos, wie sie Rebecca Allen schuf.
Im Kapitel "I would rather be a cyborg than a goddess" finden sich schließlich Auseinandersetzungen mit Hybriden aus Mensch und Maschine, wie etwa VALIE EXPORTs computergenerierte Selbstporträts. Von der österreichischen Künstlerin findet sich auch ihre Wandinstallation "Concrete Computer DisPlay" in der Ausstellung, die mit einer Schreibmaschine und zahlreichen Minimonitoren als Raum-Text-Installation gedacht ist.
Im Zuge der Ausstellung steht auch ein Symposium am morgigen Freitag an der TU Wien auf dem Programm, der Ausstellungskatalog bietet neben der Dokumentation der Werke auch 27 Künstlerinneninterviews.
(S E R V I C E - "Radical Software: Women, Art & Computing 1960-1991" in der Kunsthalle Wien. 28. Februar bis 25. Mai. www.kunsthallewien.at)
Zusammenfassung
- Die Kunsthalle Wien präsentiert die Ausstellung 'Radical Software. Women, Art & Computing 1960 - 1991' mit 140 Werken von 50 Künstlerinnen aus 14 Ländern.
- Michelle Cotton, die Direktorin der Kunsthalle, suchte fünf Jahre lang nach Pionierinnen der digitalen Kunst, deren Werke nun in fünf Kapiteln gezeigt werden.
- Ein Symposium an der TU Wien begleitet die Ausstellung, die vom 28. Februar bis 25. Mai läuft, und ein Katalog mit 27 Künstlerinneninterviews wird veröffentlicht.