"Koralli Korallo": Kosmos Theater widmet sich dem Aussterben
Die junge Wiener Regisseurin ermöglicht mit "Koralli Korallo" eine "sinnliche Auseinandersetzung" mit dem Sterben und mit den Folgen des Klimawandels. Sie möchte Statistiken in Affekte, in Empathie übersetzen, um "das Sterben von Menschen als etwas Trauriges zuzulassen, was in der Pragmatik der Pandemie-Verwaltung nicht stattfindet", erzählte sie im Vorfeld im Gespräch mit der APA. Ausgangspunkt für die Stückentwicklung war schließlich ein Buch über Korallen: "Ich habe tatsächlich erst am Ende begriffen, wie stark die Korallen vom Aussterben bedroht und vom Klimawandel betroffen sind."
Vor einer Wand aus gestapelten Kartons, auf welche ein buntes Wellenmuster gemalt ist, reden die Charaktere permanent durcheinander. Sie beenden gegenseitig ihre Sätze, sprechen im Chor und manchmal singen sie auch. Sie reimen und stottern, flüstern und schreien. Sie kriechen, tanzen, hüpfen, oder winden ihre Körper während sie sprechen, sodass alles immer sehr komisch ist. Sie springen nicht nur auf der Bühne oder zwischen den Sprachregistern hin und her, sondern auch zwischen den Themen. Ob auf der Metaebene des Theaters, auf Beziehungsebene oder Sachebene: Zur Sprache kommen die kleinen Probleme des Alltags, die großen Fragen des Lebens und das alles im Kontext der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Klimawandel.
Man findet sich in den Wortwechseln ständig wieder, fühlt sich ertappt, und kann dank der unterschiedlichen Charaktere über sich selbst lachen. Die Regisseurin und ihr Ensemble treffen einige Male ins Schwarze - das Publikum in den voll besetzten Reihen ist gut unterhalten. Die fünf Personas liefern sich beeindruckende Schlagabtausche - durchgehend rhythmisch und dennoch kommt keine und keiner außer Atem - ob als Beziehungsstreit, oder zwischen den Kindern und ihrer pflegebedürftigen Mutter, die nicht ins Altersheim will, oder aber unter Freundinnen und Freunden, wenn einer aus der Gruppe nicht mitkommen mag und überredet werden muss. Stress und soziale Angst, Trauer, Wut und Scham bis hin zu Empathie und Zuneigung. Alles bekommt seinen Raum.
Dafür kommt man im Publikum zwischendurch außer Atem, weil ohne die Möglichkeit des Mitlesens manche Sprünge doch zu krass sind. Im nächsten Moment wird man wieder von der großartigen Performance der Schauspielerinnen und Schauspieler abgeholt, aber dann fragt man sich doch wieder, wie das alles denn eigentlich zu einem Ende kommen soll. Nach einem Abend über menschliche Beziehungen und Emotionen, die eng verwoben sind mit gefährdeten Ökosystemen, steht etwas klischeehaft die rhetorische Frage "Was steht uns im Weg?" und verrät vielleicht, dass es schwierig war, bei einer solchen Fülle an Themen und Ebenen zu einem Schluss zu kommen. Auch wenn die künstlerische Darstellung der Verbindung zwischen Mensch und Natur durchaus gelungen ist.
(S E R V I C E - "Koralli Korallo", Regie: Milena Michalek, Ausstattung: Sina Manthey, Dramaturgie & Assistenz: Elena Höbarth, Mitarbeit Ausstattung: Luna Becker, Mit: Aline-Sarah Kunisch, Rahel Ohm, Christoph Radakovits, Daniel Wagner, Johanna Wolff. Kosmos Theater, Wien 7, Siebensterngasse 42, Nächste Vorstellungen: 16., 17.,18., 22. bis 25. September und 29. September bis 2. Oktober, www.kosmostheater.at)
Zusammenfassung
- "Koralli Korallo" ist ein klingender Name für eine Stückentwicklung, die den Zusammenhang zwischen unserer Sterblichkeit und dem Artensterben der Korallen versinnbildlichen soll.
- Die Premiere fand am Dienstagabend im Kosmos Theater statt.
- Ausgangspunkt für die Stückentwicklung war schließlich ein Buch über Korallen: "Ich habe tatsächlich erst am Ende begriffen, wie stark die Korallen vom Aussterben bedroht und vom Klimawandel betroffen sind."