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Königsdrama und Kriegspropaganda: "Heinrich 5" im Wiener TAG

Ein Shakespeare-Königsdrama spielen, in dem von Kriegen und Kriegsverbrechen von vor über 600 Jahren berichtet wird, während in der Ukraine, in Israel und Palästina und an vielen anderen Plätzen dieser Erde geschossen und gebombt, gelitten und gestorben wird? Das ist eine heikle Aufgabe. Gernot Plass hat sie in dem von ihm geleiteten Theater an der Gumpendorfer Straße mit seiner Bearbeitung von "Heinrich V." beachtenswert gelöst. Die Premiere am Freitag fand großen Zuspruch.

Der 25. Oktober war als Premierentermin mit Bedacht gewählt. Vor genau 40 Jahren wurde hier mit "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" das "Theater Gruppe 80" aus der Taufe gehoben, und Plass bat vor Beginn der Vorstellung um einen Extra-Applaus für seine Vorgänger, die zu Feier des Tages erschienenen Theatergründer Helga Illich und Helmut Wiesner. Vor genau 608 Jahren fand aber auch die Schlacht von Azincourt statt, bei der im Zuge des Hundertjährigen Kriegs die Truppen von König Heinrich V. gegen das Heer von König Karl VI. von Frankreich gewannen - und damit die Schlüsselszene des Shakespeare-Dramas.

Gernot Plass hat sich in seinen modernen Überschreibungen schon "Richard 2" und "Heinrich 4" gewidmet und setzt nun in "Heinrich 5" auf ein paar ins Publikum gerichtete Scheinwerfer, ein paar Videoscreens, einen mit heutigen Polit-Phrasen angereicherten Text, vor allem aber auf die Kraft der Fantasie: "Wenn wir Pferde sagen, denkt an Panzer, wenn ihr Gesichter seht, denkt an die heutigen Idioten", tönt es dem Publikum entgegen, wenn Andreas Gaida die willfährige Presse verkörpert. Und tatsächlich kommt einem alles sehr bekannt vor, von der Wirtschaft als eigentlichen Kriegsgrund, der Bedeutung der Propaganda, der Konstruktion oder Fälschung von Anlässen, um die Stimmung der Bevölkerung zu beeinflussen, bis zum Versprechen, einen "super-sauberen" Krieg zu führen, in dem dann doch Gefangene gemordet und andere Kriegsverbrechen begangen werden.

Raphael Nicolas ist als junger, ehrgeiziger König Heinrich der einzige im Ensemble, der nicht mehrfach die Rolle zu wechseln hat. Georg Schubert ist sein französischer Widerpart, hat aber ebenso wie seine Kollegen Jens Claßen, Andreas Gaida, Markus Hamele, Michaela Kaspar und Lisa Schrammel alle Hände voll zu tun, rechtzeitig Figuren und Fronten zu wechseln. Denn Plass drückt aufs Tempo und erzählt in etwas unter zwei Stunden, wie sich ein Krieg anzetteln, führen und auch gewinnen lässt. Der am Ende errungene Frieden samt erzwungener Heirat wird genau 18 Monate halten, erfährt man am Ende. Dann geht es aufs Neue los.

(S E R V I C E - "Heinrich 5" von Gernot Plass frei nach William Shakespeare, Text und Regie: Gernot Plass, Ausstattung: Alexandra Burgstaller. Mit Jens Claßen, Andreas Gaida, Markus Hamele, Michaela Kaspar, Raphael Nicolas, Lisa Schrammel, Georg Schubert. TAG, Wien 6, Gumpendorfer Straße 67, Nächste Vorstellungen: 28., 31.10., 7., 8., 10., 11., 22., 24. und 25.11., www.dastag.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Gernot Plass hat sie in dem von ihm geleiteten Theater an der Gumpendorfer Straße mit seiner Bearbeitung von "Heinrich V." beachtenswert gelöst.
  • Denn Plass drückt aufs Tempo und erzählt in etwas unter zwei Stunden, wie sich ein Krieg anzetteln, führen und auch gewinnen lässt.
  • Dann geht es aufs Neue los.
  • (S E R V I C E - "Heinrich 5" von Gernot Plass frei nach William Shakespeare, Text und Regie: Gernot Plass, Ausstattung: Alexandra Burgstaller.