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Jüdisches Museum bereitet 100 Missverständnissen ein Ende

Das Bild, das sich die Gesellschaft von Juden und jüdischem Leben macht, besteht zu einem nicht geringen Teil aus Klischees. Das Stereotyp der gluckenhaften jüdischen Mame, eine vermeintlich inhärente Melancholie oder Intellektualität - viele Vorstellungen speisen sich aus Abziehbildern. Diese These verdeutlicht das Jüdische Museum Wien mit seiner Ausstellung "100 Missverständnisse über und unter Juden" - die erste unter Ägide der neuen Direktorin Barbara Staudinger.

Die neue Schau sei durchaus prototypisch für die Neuaufstellung des Hauses unter ihrer Leitung zu verstehen, unterstrich die Nachfolgerin von Danielle Spera bei der Präsentation am Dienstag: "Für uns ist ein Museum ein politischer Ort." Wie bei der neuen Ausstellung sei auch künftig das Ziel, zeitgenössische Diskurse zu begleiten oder an diese anzuknüpfen.

Das leistet "100 Missverständnisse über und unter Juden" zweifelsohne. Mit einem steten Augenzwinkern betrachtet man nicht nur Vorstellungen, die in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft existieren, sondern nimmt auch das eigene Wirken unter die Lupe. So legt man es durchaus selbstreferenziell an, bleibt doch auch die Arbeit jüdischer Museen nicht unbetrachtet, die in der Vergangenheit immer wieder selbst dazu beigetragen habe, veraltete Vorstellungen zu verfestigen oder zu tradieren.

Das beginnt schon bei der Heimstatt des Museums, dem Palais Eskeles - ein Kunstname, den man einst gewählt hatte, um eine jüdische Geschichte des Innenstadtprachtbaus zu suggerieren, die dieser aber nur äußerst begrenzt hatte. Hier können sich Besucherinnen und Besucher nun auf eine Reise durch einen Klischeedschungel machen, dessen Samen und wildes Wuchern humorvoll hinterfragt wird - mal mit künstlerischen Überschreibungen, wenn Hitler als Bettvorleger grüßt, mal mit wissenschaftlicher Akribie.

"Diese Ausstellung ist keine über Jüdinnen und Juden, sondern über Bilder von Jüdinnen und Juden", machte Chefkurator Hannes Sulzenbacher deutlich. Dabei geht es beileibe nicht nur um antisemitische Zerrbilder, sondern vornehmlich sogar um deren Pendant, philosemitische Wunschvorstellungen.

Gegliedert in sieben Kapitel mit Titeln wie "Überschreitungen", "Romantisierung" oder "Voyeurismus" zeigt ein Chanukka-Leuchter im billigen Rotkäppchendesign, das auch jüdische Ritualgegenstände keineswegs immer alttestamentarisch-historisch daherkommen, spiegelt Beyoncés betont bescheidener Hosenanzug vom Besuch des Anne-Frank-Hauses auf den Umgang mit der Shoah-Erinnerung zurück oder stellt ein Abguss des David-Riechkolbens von Michelangelo die Frage nach der "typischen" jüdischen Nase. Und ein Stoffschweinchen mit der Flagge "Bei Euch bin ich doch sicher?" referenziert auf die jüdischen Essvorschriften. Denn wie begegnet man Missverständnissen am besten? Mit Humor.

(S E R V I C E - "100 Missverständnisse über und unter Juden" im Jüdischen Museum, Dorotheergasse 11, 1010 von 30. November bis 4. Juni 2023. Geöffnet sonntags bis freitags von 10 bis 18 Uhr. www.jmw.at/100_Missverstaendnisse_ueber_und_unter_Juden)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Stereotyp der gluckenhaften jüdischen Mame, eine vermeintlich inhärente Melancholie oder Intellektualität - viele Vorstellungen speisen sich aus Abziehbildern.
  • Diese These verdeutlicht das Jüdische Museum Wien mit seiner Ausstellung "100 Missverständnisse über und unter Juden" - die erste unter Ägide der neuen Direktorin Barbara Staudinger.