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José Carreras wird 75 und sieht sich in der Endrunde

Opernliebling José Carreras feiert am heutigen Sonntag seinen 75. Geburtstag. Der Startenor feiert sein Jubiläum in seiner Wahlheimat Andorra und denkt zunehmend über den Bühnenabschied nach. Von der Wiener Staatsoper hat sich der Spanier bereits Mitte September verabschiedet. Nun nannte er kürzlich im Interview mit "El Mundo" auch einen konkreten Zeitpunkt zum fixen Karriereende: "Es wird Zeit, dass ich in den Ruhestand gehe. Ich werde noch ein oder zwei Jahre singen."

Altersmüdigkeit? Keineswegs. Es sei für ihn immer noch "bewegend", auf die Bühne zu gehen, erzählte er nach einem Auftritt in Sevilla, bei dem er mit Ovationen gefeiert wurde. Aber er werde "ein Dreivierteljahrhundert alt". Da komme man schon ins Grübeln. "Vielleicht sollte ich mehr mit meinen Enkelkindern sein".

Der schicksalserprobte Mann, der auf seinem Karrierehöhepunkt eine Leukämie besiegte, weiß, dass "auch die wunderbarsten Dinge im Leben irgendwann enden" müssen. Doch vorerst müssen Ruhestand und Enkelkinder noch etwas warten. Schon sechs Tage nach der privaten Geburtstagsparty gibt Carreras am 11. Dezember ein Weihnachtskonzert in Andorra. Es folgen Auftritte im Leipzig für seine Leukämiestiftung am 16. Dezember und sechs Tage vor Weihnachten ein Bulgarien-Konzert. Viel zu tun also immer noch für den Polizistensohn, der in Mamas Friseurladen als Knirps die Kundinnen mit seiner Stimme erfreute und dafür ein paar Münzen bekam.

1947 in Barcelona geboren, begeisterte sich Klein-José schon als Sechsjähriger für die Oper, nachdem er mit seinem Vater im Kino den Film "Der große Caruso" mit Mario Lanza gesehen hatte. In der Schule trällerte er Opernstücke, weshalb Mitschüler ihn in Anlehnung an die Giuseppe-Verdi-Oper "Rigoletto" nannten.

Obwohl sie von Musik wenig Ahnung hatten, förderten die Eltern das Talent ihres Sohnes und schickten ihn aufs Konservatorium. Das "Wunderkind" trat zunächst im Radio auf und war erst elf Jahre jung, als es im Gran Teatre del Liceu in Barcelona sein Debüt feierte.

Von da an ging es rapide bergauf. Die Pläne, Chemiker zu werden, wurden kurz nach Aufnahme des Studiums ad acta gelegt, denn bereits seinerzeit verdiente er sich als Sänger einen guten Lebensunterhalt. Die katalanische Landsfrau Montserrat Caballé, die damals schon als beste Sopranistin der Welt galt, erkannte seine Begabung und wurde zu einer Mentorin. Ebenso wie der österreichische Stardirigent Herbert von Karajan, mit dem Carreras jahrzehntelang eng zusammenarbeiten sollte.

Die Welt lag dem Spanier bald zu Füßen. Der schmächtige Tenor mit dem schüchternen Lächeln begeisterte Mitte der 1970er-Jahre das Publikum unter anderem in der Metropolitan Opera von New York, im Londoner Covent Garden und nicht zuletzt in der Wiener Staatsoper. Hier riss er 1977 mit Karajan das Publikum als Rodolfo in Puccinis "La Boheme" 35 Minuten lang zu Beifallstürmen hin.

Carreras faszinierte mit dem besonderen Timbre, der gefühlvollen Ausdruckskraft und der Verletzlichkeit seiner Stimme, mit seiner außerordentlichen Beherrschung des dramatischen Registers. Seine persönliche Ausstrahlung tat ein Übriges. Carreras erzählte, Karajan habe ihm einmal gesagt: "Weißt Du, warum du so erfolgreich bist? Weil jeder Opernbesucher glaubt, du singst nur für ihn alleine."

Doch auf dem Gipfel des Erfolgs kam im Sommer 1987 der Schock: Carreras hatte Blutkrebs. Die Karriere schien zu Ende, schlimmer noch: Die Überlebenschancen galten als gering. Nach einer Knochenmarktransplantation konnte er aber die Krankheit besiegen. 1988 gründete er die Carreras-Stiftung, um den Kampf gegen Leukämie zu finanzieren. Das Ziel: "Leukämie muss heilbar werden. Immer und bei jedem."

Carreras ist unterdessen davon überzeugt, dass die Krankheit ihn auch stärker gemacht hat. "Ich denke, ein Mensch, der in seinem Leben solch harte Momente hat, wird reifer und hat andere Ansichten und Prioritäten", sagte vor einigen Jahren der Mann, dessen Mutter an Krebs starb, als er erst 17 war. Nach der Leukämie setzte Carreras in der Tat noch mehrere Karriere-Meilensteine. Etwa 1990, als der Verdi- und Puccini-Interpret durch einen Auftritt bei der Fußball-WM 1990 in Rom mit Luciano Pavarotti und Plácido Domingo als "Die Drei Tenöre" über Nacht einem breiten Publikum bekannt wurde.

Viele Kritiker klagen zwar, Carreras Stimme sei schon seit vielen Jahren ein Schatten ihrer selbst. Das mag stimmen und wird auch vom stets bescheiden auftretenden Spanier nicht bestritten. Und doch vermag auch der reife Carreras mit seinem Charme noch zu bezirzen. Grund genug für ein paar Endrunden.

ribbon Zusammenfassung
  • Opernliebling José Carreras feiert am heutigen Sonntag seinen 75. Geburtstag.
  • Der Startenor feiert sein Jubiläum in seiner Wahlheimat Andorra und denkt zunehmend über den Bühnenabschied nach.
  • Von der Wiener Staatsoper hat sich der Spanier bereits Mitte September verabschiedet.
  • Weil jeder Opernbesucher glaubt, du singst nur für ihn alleine."
  • Viele Kritiker klagen zwar, Carreras Stimme sei schon seit vielen Jahren ein Schatten ihrer selbst.