APA/APA/Schauspielhaus/Thomas Aurin

Jelineks "Endsieg" zeigt Trump in Hamburg als Heiland

Sieben Jahre nach der Uraufführung von Elfriede Jelineks "Am Königsweg" am Schauspielhaus Hamburg setzt sich die Literaturnobelpreisträgerin aus aktuellem Anlass noch einmal mit Donald Trump auseinander. In nur drei Wochen und zweiwöchigen Proben erarbeiteten Falk Richter und die Dramaturgin Rita Thiele eine Bühnenfassung von "Endsieg", die am heutigen Freitag am Schauspielhaus Hamburg zum ersten Mal präsentiert wird.

Nur einige Tage nach der Wahl hat Jelinek "Endsieg" als Gedicht sozusagen als Nachspiel zu "Am Königsweg" auf ihrer Website veröffentlicht, das Schauspielhaus erfuhr davon vom Rowohlt Verlag und griff sofort zu, wie Richter und Thiele bei einem APA-Gespräch in Hamburg erzählen. Nachdem ein Premierentermin am 6. Dezember durch eine Absage frei geworden war, kam Intendantin Karin Beier auf Richter zu, der demnächst in Stuttgart mit den Proben zu "King Lear" beginnt. Er habe zwar eigentlich keine Zeit gehabt, aber "da ich Elfriede Jelinek natürlich sehr schätze und es auch interessant fand, dass wir uns jetzt mit diesem Thema noch einmal auseinandersetzen können, habe ich zugesagt".

Das rasch zusammengestellte siebenköpfige Ensemble, von dem die Hälfte bereits Jelinek-Erfahrung hat, sei sofort hoch motiviert gewesen, weshalb nun letztendlich mehr als eine "szenische Einrichtung" auf die Bühne komme. Binnen weniger Tage habe man eine Textfassung erarbeitet und den Spielenden geschickt. Auch ein Bühnenbild, das einer Kathedrale ähnelt, wurde geschaffen. Die konzentrierte Arbeit an der Produktion habe die Beteiligten auch "ein bisschen aus der Depression geholt", die nach dem Wahlergebnis um sich gegriffen habe, so Thiele.

"Jelineks Texte haben ja auch immer Humor, etwas Disruptives", so Richter. "Sie greift diese rechte Bewegung mit ihren sprachlichen Mitteln sehr stark an, macht sie lächerlich, zeigt, wie sie denken und wie absurd das auch ist", lobt Richter, der zuletzt Jelineks "Asche" in München uraufgeführt hat, die "emanzipierende Kraft" von Jelineks Texten. Als er damals die vielfach ausgezeichnete Uraufführung von "Am Königsweg" schuf, habe er nicht gedacht, sich noch einmal mit Trump auseinandersetzen zu müssen. Nicht zuletzt durch den Sturm auf das Kapitol nach dem Wahlsieg Joe Bidens sei ihm dann aber bereits klar geworden, "dass die Trump-Bewegung mittlerweile eine ganz gefährliche, faschistoide, unkontrollierbare und gewaltbereite Mobbewegung ist. Trump hat in der ganzen Zeit seiner Präsidentschaft eine Meute herangezüchtet." Auch nach seiner Wahl habe er mit seinen Rallyes weitergemacht, "wie ein Popstar". Und so beschreibe Jelinek den künftigen US-Präsidenten in "Endsieg" auch als einen Heiland, den seine Jünger anbeten.

Die Trump-Verherrlichung sei so weit gegangen, dass Richter bei einem Wahlsieg von Kamala Harris befürchtete, dass es danach zu "einer Art bürgerkriegsähnlichem Zustand" kommen könne. Und so geht es in "Endsieg" laut Thiele letztlich nicht vordergründig um Trump, sondern um seine Wähler. Jelinek beschäftige sich "mit dem Gespenst des Faschismus, des rechten Denkens, das immer wieder aus den Gräbern der Geschichte aufsteigt und sich gerade im Moment sehr dunkel über die ganze Welt legt".

Interessant war es für Richter, mit der deutlich lyrischeren Sprache von "Endsieg" zu arbeiten, immer wieder seien auch Gedichtstellen von Paul Celan eingearbeitet. So würdige das Volk in hymnischen Texten seinen Heiland. "Sie feiern, dass es jetzt überhaupt kein Gegenüber, keine Gegner mehr gibt, dass der Heiland jetzt endlich machen kann, was er will, dass das jetzt eben der Endsieg ist."

Jelinek analysiere das "entfesselte Volk, das jetzt machen kann, was es will. Dem Rassismus wird völlig freier Lauf gelassen". Die Autorin setze diese Verehrung direkt mit einer religiösen Bewegung gleich. "Das ist eigentlich gar keine politische Bewegung mehr, sondern ein religiöser Kult, wo Glaube und Politik vermischt werden", unterstreicht Richter. Besonders nach dem Attentat auf Trump habe sein Team ihn genau so inszeniert: als sich für das Volk aufopfernden Messias.

Der verbreitete Topos von einem am Boden liegenden Land, "in dem Transmenschen und emanzipierte Frauen die Männer unterdrücken", habe zum Erfolg geführt. Während in "Am Königsweg" noch der Fassungslosigkeit der Trump-Gegner viel Raum gegeben wurde, werde ihnen in diesem Stück nun kaum mehr eine Stimme gegeben. "Hier geht es jetzt auch um das Thema eines gewissen Verfalls der Opposition", so Thiele. "Insofern finde ich das Stück von der Bilanz her bedenklicher. Da ist ein Vakuum." Auch Richter spricht von einem Text, der "düsterer ist als sein Vorgänger": "Trump war 2016 noch eine skurrile Figur, jetzt wissen wir aber, wie gefährlich er und seine Leute sind, wie man an den Nominierungen für sein Kabinett sieht."

Im Stück werde auch ganz offen darüber gesprochen, dass Trump vielleicht nicht alle vier Jahre seiner Amtszeit durchsteht. "Aber selbst wenn er als Führerfigur weg ist, bleiben uns diese neuen jungen Rechten erhalten. Und das ist das eigentlich Gefährliche", befürchtet Richter. Der Abend werde etwa 90 Minuten dauern, eventuell schreibe Jelinek ja weiter und man könne in einem Jahr darüber nachdenken, den Stoff noch einmal umfassender aufzugreifen.

Jelinek spreche das Publikum im Stück auch direkt an und schlägt vor, man könne sich Trump nun eigentlich auch anschließen. "Denn was anderes - so Jelineks provokante Aussage - gibt es eigentlich nicht mehr. Da wird mir richtig unwohl, wenn ich das höre", meint Richter. Es bleibe den Menschen, so schreibe Jelinek, jetzt nur noch übrig, mit dem Kopf auf die Tischplatte zu knallen und das Blut wegzuwischen. "Der Text zeigt uns, dass auch wir progressiven Künstler die Entwicklungen, die es ja auch in Europa gibt, ernst nehmen müssen. Wir können nicht mehr sagen: Das ist ja nicht so schlimm." Hier stimmt auch Thiele zu: "Es ist nicht mehr zu verdrängen. Und es reicht auch nicht mehr, sich darüber zu amüsieren. Elfriede Jelinek demontiert alle vermeintlichen Sicherheiten, an die wir uns klammern."

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - "Endsieg" von Elfriede Jelinek am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Erstpräsentation am 6. Dezember, 19.30 Uhr. Regie: Falk Richter, Bühne und Kostüm: Nina Wetzel, Musik: Matthias Grübel, Video: Sébastien Dupouey, Michel Auder, Licht: Annette ter Meulen, Dramaturgie: Rita Thiele. Mit Mehmet Ateşçi, Sandra Gerling, Josefine Israel, Christoph Jöde, Mirco Kreibich, Julia Wieninger und Frank Willens. Weitere Termine: 8. Dezember, 6. und 24. Jänner. www.schauspielhaus.de)

ribbon Zusammenfassung
  • Elfriede Jelineks Stück 'Endsieg' wurde in nur drei Wochen entwickelt und feierte am 6. Dezember Premiere am Schauspielhaus Hamburg.
  • Das Werk thematisiert die gefährliche Entwicklung der Trump-Bewegung als faschistoide Mobbewegung.
  • Jelinek vergleicht die Verehrung Trumps mit einem religiösen Kult, in dem Politik und Glaube ineinanderfließen.
  • Das siebenköpfige Ensemble, zur Hälfte erfahren mit Jelineks Arbeiten, bringt die Inszenierung auf die Bühne.
  • Das Stück beleuchtet die Verherrlichung Trumps und die Bedrohung durch aufstrebende rechte Bewegungen.