"Ingeborg Bachmann": Finden des eigenen Wegs in der Wüste
Von Trotta verwebt als Drehbuchautorin und Regisseurin zwei zentrale Stränge im Leben der Schriftstellerin - ihre Beziehung mit Max Frisch (Ronald Zehrfeld) sowie eine nach der Trennung gemeinsam mit dem jungen Wiener Autor Adolf Opel (Tobias Resch) erfolgte Reise in die ägyptische Wüste. Teils unchronologisch entfaltet sich in den Szenen das vielschichtige Porträt eines Menschen im Wechsel aus Überspanntheit und Stärke, auf der Suche nach sich und ihrer Position als moderne Frau, die zugleich mit tradierten Rollenbildern und eigenen Mustern konfrontiert ist.
So ist die Österreicherin bei aller fast mädchenhaften Zurückhaltung in der Gestik eher die Draufgängerin in der aufkeimenden Romanze, die sich mit dem biederen Frisch Ende der 1950er in Paris anbahnt. Man siezt sich auch nach den ersten körperlichen Annäherungen, man konversiert etwas künstlich in Gedichtzitaten. Und doch endet man im Zürcher Kleinbürgerambiente, versucht sich an konventionellen Formen des Zusammenlebens. Doch letztlich sind auch die Beziehungen zwischen literarischen Größen belastet von Fragen des Abwaschs und der Eifersucht.
Auch in der räumlichen Trennung zwischen Zürich und Bachmanns Wahlheimat Rom gelingt es nicht, den Teufelskreis an Erwartungen und Vorhaltungen zu durchbrechen. Von Trotta zeichnet Frisch dabei als tumben Macho, der Bachmann den Ruhm neidet, sie wiederum entflieht seiner Eifersucht. Und doch gelingt ihr nicht die wirkliche Befreiung.
Die Erkenntnis des selbst gewählten Käfigs gelingt auch nicht mit ihrem Seelenverwandten Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) in Italien, sondern erst in der Konfrontation mit dem Nichts der Wüste. Im Austausch mit dem jüngeren Opel gemäß des Primats der berühmten Bachmann-Rede "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" schafft Bachmann die Emanzipation. Auf die persönliche Katastrophe der Trennung und den totalen Absturz folgt die Selbstermächtigung.
Von Trotta kann dabei auf die eleganten, stets im Stile der Zeit ausgeleuchteten Bilder des österreichischen Starkameramanns Martin Gschlacht zurückgreifen, die nur selten auf Symbolismen wie unscharfe Reflexionen der Bachmann im Spiegel zurückgreifen, sondern sich zentral auf das Spiel von Vielarbeiterin Vicky Krieps verlassen. Diese trifft die irritierenden Bewegungen der Dichterin markant, verzichtet aber ebenso wie der Berliner Ronald Zehrfeld bei seinem Max Frisch gänzlich darauf, den jeweiligen Dialekt des Vorbilds zu imitieren.
Das entfernt die Figuren ein wenig von der konkreten Bindung an die Vorlage, macht die Erzählung über die Biografie hinaus allgemeingültig. Zugleich konterkariert Von Trotta diesen Weg, in dem sie szenenweise die Kenntnis der Biografie voraussetzt, werden doch prominente Protagonisten bisweilen nicht eingeführt, sondern müssen vom Publikum dechiffriert werden.
Als kontraproduktiv erweist sich überdies die Musikauswahl (Soundtrack: André Mergenthaler), ist das Adagio aus Mahlers 5. Symphonie nach Visconti in einem Film doch schlicht ein No-Go. Zu ikonisch sind die spätromantischen Klänge mit dessen "Tod in Venedig" verknüpft. Und dennoch ist "Die Reise in die Wüste" am Ende nicht die denkbare Schussfahrt ins Verderben geworden, sondern ein ermutigendes Werk, das von Hoffnung erzählt, von der Bedeutung von Literatur für Menschen und von einer Frau, die ihren Weg findet.
(S E R V I C E - www.polyfilm.at/film/bachmann)
Zusammenfassung
- Eines der ersten Bilder ist die im Bett rauchende Ingeborg Bachmann.
- Und doch geht es in der österreichischen Koproduktion "Ingeborg Bachmann - Die Reise in die Wüste" im Verlauf nicht um das tragische Ende der Dichterin.
- Ab Freitag im Kino.
- Doch letztlich sind auch die Beziehungen zwischen literarischen Größen belastet von Fragen des Abwaschs und der Eifersucht.
- Zu ikonisch sind die spätromantischen Klänge mit dessen "Tod in Venedig" verknüpft.