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"Infamous Offspring" begeistert mit göttlichem Patchwork

Sie sind promiskuitiv, drogensüchtig und gewalttätig: die Kinder des Zeus. Hera fühlt sich ob seiner zahlreichen Affären und den daraus hervorgegangenen Kindern zurückgesetzt, doch der Göttervater bittet seine Frau inständig, am Gelingen der Patchworkfamilie zu arbeiten. Willkommen bei "Infamous Offspring", der neuen Arbeit des belgischen Starchoreografen Wim Vandekeybus, dessen Compagnie Ultima Vez das Volkstheater bei der ImPulsTanz-Premiere am Sonntag zum Kochen brachte.

Im Zentrum und doch am Rande dieses durchtriebenen Nachwuchses steht der aufgrund seiner Missbildungen verstoßene Hephaistos, dem die schottische Verrenkungskünstlerin und Malerin Iona Kewney im eng anliegenden Bodysuit eine entrückte Gestalt verleiht, die am Bühnenrand manisch Kohlezeichnungen anfertigt, um sich von den bösartigen Geschwistern fern zu halten - doch es gibt kein Entkommen. Zum immer wieder rockigen Sound feiern die restlichen acht Geschwister eine Party nach der anderen, Orgien verwandeln sich in Grabenkämpfe, denen die gestrengen Eltern - zugeschaltet via Videoleinwand - immer wieder Einhalt zu gebieten versuchen.

In von der Dichterin Fiona Benson geschriebenen Dialogen verhandeln Zeus und Hera (Daniel Copeland und Lucy Black) nicht nur ihre Ehe immer wieder aufs Neue (Hera: "Du bist ein Ständer auf zwei Beinen"), sondern kommentieren auch die Traumata ihrer Kinder und schlichten den aufbrausenden Erbfolgestreit (zwischen Ares und Athene). Aphrodite beklagt ihre Rolle als "lebensgroße Puppe" und den unablässig erlebten Missbrauch in drastischen Worten, Artemis ist außer sich, dass Zeus die Nymphe Kallisto als Artemis verkleidet entjungfert hat und Dionysos durchlebt immer wieder das Trauma seiner "Geburt", nachdem Zeus seine Mutter verbrannt und den Embryo schließlich in seinem Unterschenkel ausgetragen hatte.

In immer neuen Konstellationen nähern sich die Geschwister einander an, stoßen sich voneinander ab und bilden neue Allianzen. Selbst in den von Hera verordneten Keuschheitsgürteln (aus Bratpfannen, Metallhäferln und -tellern) können sie nicht voneinander lassen. Bei so viel Körpereinsatz bringen die Video-Einspielungen des Flamenco-Tänzers und Choreografen (Israel Galván) nur vermeintlich Ruhe ins Geschehen: In Schwarz-Weiß mit silbrigem Glanz sitzt er inmitten eines Tisches, aus dem nur sein Oberkörper ragt, und klopft seine Flamenco-Rhythmen mit zwei Schuhen, die er an den Händen trägt. Ihm ist die Rolle des Sehers Tiresias zugeordnet, der in den optisch opulenten Szenen auch mal ein offenes Klavier mit einer Machete traktiert. Musikalisch wie tänzerisch bleibt er in diesem zweistündigen, pausenlosen Abend jedoch ein Fremdkörper.

Geht es nach "Infamous Offspring", ist das göttliche Projekt der Patchwork-Familie gescheitert. Zeus und Hera können dem Wahnsinn ihres Nachwuchses nicht Einhalt gebieten und sehnen sich danach, "alles auf Anfang" zu stellen und als - nunmehr greises - Paar neu durchzustarten. Für die Kinder heißt das in diesem Fall: Wenn die Katze aus dem Haus ist ...

(Von Sonja Harter/APA)

(S E R V I C E - ImPulsTanz: "Infamous Offspring" von Wim Vandekeybus / Ultima Vez im Volkstheater. Mit u.a. Iona Kewney, Maria Zhi Tortosa Soriano, Lotta Sandborgh, Cola Ho Lok Yee, Samuel Planas, Rakesh Sukesh, Paola Taddeo, Adrian Thömmes und Hakim Abdou Mlanao, Musik: Warren Ellis/Dirty Three, ILA. Weitere Termine: 29. und 30. Juli. www.impulstanz.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Kinder des Zeus sind promiskuitiv, drogensüchtig und gewalttätig, während Hera sich durch Zeus' Affären und die daraus hervorgegangenen Kinder zurückgesetzt fühlt.
  • Hephaistos, verstoßen aufgrund seiner Missbildungen, wird von der schottischen Künstlerin Iona Kewney dargestellt, die manisch Kohlezeichnungen anfertigt, um sich von den bösartigen Geschwistern fernzuhalten.
  • Zeus und Hera versuchen über Videoleinwand, den exzessiven Partys und Grabenkämpfen ihrer Kinder Einhalt zu gebieten, während Dialoge von Fiona Benson die Eheprobleme und Traumata der Kinder beleuchten.