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Historischer Krimi: Maly lässt in "Wiener Werkstätte" morden

Wien im Jahr 1906: Die Ringstraße mit ihren Prachtbauten ist gerade im Entstehen und der Naschmarkt existiert seit einem Jahr auch offiziell unter diesem Namen. So ziemlich alles ordnet sich der Monarchie unter Kaiser Franz Joseph I. unter. Und in der Wiener Werkstätte in der Neustiftgasse dürfen auch Frauen künstlerisch tätig sein - in dieser Zeit eine absolute Ausnahmeerscheinung. Dies ist der historische Kontext von Beate Malys neuem Krimi "Mord in der Wiener Werkstätte".

Liliane Feigl, kurz Lili, erhält durch Zufall einen Job als Putzfrau in der Wiener Werkstätte. Sie ist als Halbwaise Tochter eines alleinerziehenden Trinkers und Spielers, von dessen Einkünften als Dokumentenfälscher aufgrund seiner Gewohnheiten kaum etwas übrig bleibt. Dass sie ihrem Vater beim Fälschen von Ausweisen assistiert, darf niemand wissen, schon gar nicht der Kriminalpolizist Max von Krause, mit dem sie es anlässlich eines Lebensmitteldiebstahls am Naschmarkt erstmals zu tun bekommen hat. Aber immerhin erspart ihr diese Assistenz bei der kriminellen Tätigkeit ihres Vaters das Schicksal von vielen anderen Frauen in dieser Zeit - nämlich die Notwendigkeit, sich abends auf den Straßen der Stadt zu prostituieren, um finanziell das Auslangen zu finden.

Die gesellschaftlichen Hierarchien dieser Epoche noch vor dem Ersten Weltkrieg sind in Malys historischem Kriminalroman klar gezeichnet. Alles, was unmittelbar mit der monarchisch herrschenden Klasse zu tun hat, steht ganz oben, dann folgt der Adel, und die Arbeiterschicht geht fließend in jenen Teil der Bevölkerung über, der kaum Geld hat und beispielsweise in Behausungen am "Ratzengrund" lebt, einem eigentlich "Magdalenengrund" genannten Stadtteil im 6. Wiener Gemeindebezirk. Selbst der Begriff "Substandardwohnung" scheint für das hier beschriebene Zusammenleben mehrerer Familienmitglieder auf engstem und unkomfortablem Raum noch zu hoch gegriffen.

Das "kleine Wörtchen von" öffnet in dieser Zusammensetzung der Bevölkerung so manche Tür. Adel hat Vorrang bzw. Zutritt, wo ihn andere nicht haben. Jedoch wird der Ermittler Max von Krause auch schon mal von oben herab behandelt und belächelt, denn ein Adeliger sollte es eigentlich nicht notwendig haben, sich in den Dienst der Kriminalpolizei zu stellen. Und so muss er sich bei seinen Ermittlungen auch mit Menschen herumschlagen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie über ihm stehen und ihm etwa mit dem Verlust seines Jobs drohen, weil sie an den höchsten Stellen intervenieren könnten.

Aufzuklären hat Herr von Krause zwei Mordfälle in der "Wiener Werkstätte" und ihrem unmittelbaren Umfeld. Wer könnte für die Taten verantwortlich sein - und liegen ihnen materielle Motive oder Eifersüchteleien zugrunde? Für Lili jedenfalls ist die Idylle dieser für Frauen so wertschätzenden Institution rund um Künstler wie Josef Hoffmann und Koloman Moser jäh zerstört, zunächst muss sie sogar selbst beweisen, nichts mit den Bluttaten zu tun zu haben. Sie sammelt sogar Beweisstücke und unterstützt - anfangs gegen dessen Willen - den Polizisten Von Krause bei der Ermittlungsarbeit. Zugleich fürchtet sie den Kriminalbeamten, denn sie hat herausgefunden, dass dieser auch in Sachen Pass-Fälschungen ermittelt, wo sie anders als in den Mordfällen kein reines Gewissen hat.

Die erwähnten Mitglieder der "Wiener Werkstätte" gehören zu einigen realen Figuren, die Maly in ihren Kriminalroman eingebaut hat. Auch bestimmte Kunstgegenstände, die in dem Buch Erwähnung finden, existieren real und sind heute im Wiener MAK zu sehen. Zur gelungenen Milieustudie in diesem Werk bleibt anzumerken: Wer das Lied "Haasses Pflosta" vom Ostbahn-Kurti kennt, wird angesichts dessen Songtextes feststellen, dass das Wiener Pflaster Anfang des 20. Jahrhunderts noch viel heißer war als im Ostbahn-Milieu, zumal für Frauen.

(S E R V I C E - Beate Maly: "Mord in der Wiener Werkstätte", Emons-Verlag, 240 Seiten, 16,50 Euro, E-Book 12,99 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Beate Malys 'Mord in der Wiener Werkstätte' entführt in das Wien von 1906 und beleuchtet das Leben und die Kunst in der Wiener Werkstätte mit einem kriminalistischen Twist.
  • Lili Feigl, die als Putzfrau in der Wiener Werkstätte arbeitet, wird in Mordfälle verwickelt, die sie zusammen mit dem Kriminalpolizisten Max von Krause aufzuklären versucht, während sie ihre eigenen Geheimnisse hütet.
  • Die Darstellung der gesellschaftlichen Hierarchien und die Integration realer historischer Figuren und Kunstwerke in die Handlung machen den Roman zu einer fesselnden Lektüre; erhältlich für 16,50 Euro bzw. als E-Book für 12,99 Euro.