APA/Zsolnay Verlag

Gaea Schoeters stellt Afrika-Roman "Trophäe" in Wien vor

Romane über Großwildjagden sind so out wie ihr Thema selbst, denn heutzutage stehen Artensterben und Biodiversität ebenso im Zentrum wie die Veränderung der Natur durch den Klimawandel. Insofern ist der 2020 in Amsterdam erschienene Roman "Trophäe" der flämischen Autorin, Journalistin, Librettistin und Drehbuchautorin Gaea Schoeters außergewöhnlich. Sie verbindet in dem Buch, dessen deutsche Übersetzung sie am Freitag in Wien vorstellt, Archaik mit einem modernen Zugang.

Der Ausgangspunkt ihres Buches, der Verkauf exklusiver Abschusslizenzen zur Förderung von Schutz- und Renaturierungsprogrammen, sei keine Erfindung, beteuert die 1976 geborene Autorin, die "keinerlei Verbindung zum Jagen oder zu Trophäen" hat, in einem Verlagsinterview: "Beim Scrollen auf Facebook stieß ich auf eine kleine Anzeige für eine Trophäenjagd auf eine seltene Steinbock-Art in Pakistan, in der es auch hieß, dass mit dem Geld für die Jagdlizenz ein Schutzprogramm initiiert werden soll. Eine seltene Spezies jagen, um die Umwelt zu schützen, das klang so paradox und ließ mich stutzen". Aus dem Nichts heraus hatte sie ihre Geschichte.

Ihr Protagonist Hunter White ist von Kindheit an passionierter Jäger. Erinnerungen an erste Jagden an der Seite seines Großvaters, an seinen "first kill", einen Hirsch, und an die damit verbundenen Adrenalin-Stürme, steigen in ihm immer wieder hoch, während er an der Seite seines Jagdherren, dem er einen sechsstelligen Dollar-Betrag hingeblättert hat, und eingeborenen Fährtenlesern und Helfern im afrikanischen Busch der Spur jenes Nashorns folgt, das seine "Big Five" voll machen soll. Für den weißen Millionär ist diese Jagd eine Art Urerlebnis, ein Kick, eine auch körperliche Befriedigung, die ihm das Privat- und Geschäftsleben längst nicht mehr bietet.

Schoeters lässt uns ganz nahe an dieser Jagd teilhaben und schafft tatsächlich eine Art hautnahes Miterleben, bei dem die Natur im Zentrum steht und sich der Mensch, wenn er ihre Zeichen nicht richtig und rechtzeitig zu deuten versteht, als hochgradig gefährdeter Fremdkörper empfindet. Gleichzeitig wird jedoch durch die Betonung von Hunters Selbstwahrnehmung die Jagd zu einer Art ehrenvollen Auseinandersetzung auf Augenhöhe umgedeutet, bei dem es auch für den Jäger um Leben und Tod geht. Tatsächlich ist es nur ein Sekundenbruchteil, der Hunter dank Geistesgegenwart und Erfahrung, ein angreifendes Nashorn gerade noch rechtzeitig erschießen lässt. Das falsche Nashorn. Das, das er dank seiner Lizenz erlegen hätte dürfen, wurde unterdessen von Wilderern massakriert, sein Horn gestohlen. Hunter will Rache. Oder zumindest Ersatzbefriedigung. Ein echter Mann eben.

Doch statt die inneren Nöte ihrer Hauptfigur, die offenbar das falsche Jahrhundert zum Leben erwischt hat, auseinanderzunehmen, dreht Schoeters die Spirale der unsinnigen, zynischen Gewalt noch einen Schritt weiter und führt Hunter White tatsächlich in Joseph Conrads "Herz der Finsternis". Er solle die "Big Five" vergessen, wird ihm bedeutet, und stattdessen den ultimativen, exklusiven Kick der "Big Six" genießen: Aus der Großwildjagd wird Menschenjagd. Mit derselben Argumentation: Das Geld (500.000 Dollar) kommt dem Stamm zugute, der quasi freiwillig den Deal eingeht. Zunächst fühlt sich der "Vorschlag so grotesk an, dass er zu einem perversen Scherz wird: Trophäenjagd als Naturschutz, Menschenjagd als Entwicklungshilfe". Postkolonialismus pur. Doch es braucht nicht lange und die höhere Dosis entfaltet beim Adrenalin-Junkie Mr. White ihre Wirkung. Er schlägt ein.

Ab hier begibt sich nicht nur Hunter White, sondern auch Gaea Schoeters auf ein sehr gefährliches Terrain. In seltsamen Kennenlern- und Erprobungsriten muss sich der Jäger erst als würdig erweisen, ehe er vom Stamm die Erlaubnis bekommt, einen ihrer jungen Männer als Beute zu verfolgen. Dafür bekommt er ausgerechnet den besten Freund seines Opfers als Fährtenleser zu Seite. Hunter wittert eine Falle und kann doch nicht mehr zurück. Die Jagd beginnt. Und mit ihr ein böses Spiel mit allen sprachlichen und motivischen Ingredienzien eines Genres, dessen souveräne Beherrschung die Autorin davor demonstrierte. Der Schrecken ist wohlkalkuliert. Und der Ausgang absehbar.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Gaea Schoeters: "Trophäe", Zsolnay Verlag, übersetzt aus dem Niederländischen von Lisa Mensing, 256 Seiten, 24,70 Euro, Buchpräsentation: Freitag, 23.2., 19 Uhr, Buchhandlung Thalia W3, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 2A/2B; https://www.gaeaschoeters.be/)

ribbon Zusammenfassung
  • Gaea Schoeters präsentiert ihren Roman 'Trophäe', der die paradoxen Verbindungen zwischen Großwildjagd und Naturschutz beleuchtet.
  • Der Protagonist, ein passionierter Jäger, erlebt auf der Suche nach dem letzten seiner 'Big Five' eine Wendung zur Menschenjagd, die als Entwicklungshilfe getarnt ist.
  • Die Buchvorstellung findet am Freitag, den 23. Februar, in der Buchhandlung Thalia W3 in Wien statt; der Roman umfasst 256 Seiten und kostet 24,70 Euro.