"Faarm Animaal" im Schauspielhaus Wien als tierische Utopie
Sieben Erwachsene, die in einer Art Selbsthilfegruppe auf einem heruntergekommenen Bauernhof im Waldviertel leben, wollen lieber als Tiere leben. Dabei helfen ihnen Masken von Pferden, Hühnern, Katzen, Hunden und - natürlich - Schweinen (Kostüme: Giovanna Bolliger). Ist die Leinwand der weißen Guckkastenbühne (Bühnenbild: Stephan Weber) heruntergelassen, sieht das Publikum einen Film über das, was im Garten passiert. Da pflügt ein Pferd den Acker, suhlen sich die Schweine im Dreck und kitzeln einander die Hunde. Als ein Briefträger das Grundstück betritt, bekommt er den Schock seines Lebens und sucht das Weite. Hebt sich die Leinwand, erhascht man einen Blick auf das Innenleben des Bauernhofs, wo die Masken abgelegt werden und es vor allem eines gibt: Feedbackrunden auf Sitzbällen und gemeinsames Summen einer eigenen Hymne.
George Orwells Kritik an der Verdrehung des Sozialismus und Kommunismus in die Gewaltherrschaft des Stalinismus transferiert Tomas Schweigen hier in eine unterhaltsame Kritik am Kapitalismus, aus dem die sieben Protagonisten geflüchtet sind. Sie wollen nicht "gleich" sein, sie sind anders. Sie fühlen sich als Tiere, die wiederum gleichwertig zusammenleben sollen. Doch auch wenn auf dem Dach des Bauernhofs ein Transparent mit dem Orwell-Zitat "All Animals Are Equal" prangt, wird dort am Ende ergänzt werden: "Aber manche Tiere sind gleicher." Denn als in die Vorratskammer eingebrochen wird, gilt es, den Bauernhof künftig besser zu verteidigen. Und das scheint besser möglich, wenn die Tierrollen jeden Morgen nicht mehr ausgelost werden, sondern jeder bei einem Tier, das er hier verkörpert, bleibt. So bestimmen es zumindest Sophia Löffler und Sebastian Schindegger, die sich im Laufe des 80-minütigen Abends als Gruppenleiter herauskristallisieren. Sie wollen für immer die Schweine sein, "weil Schweine am intelligentesten sind".
Während sich Simon Bauer, Vera von Gunten, Jesse Inman und Clara Liepsch ihrem Schicksal fügen, will Til Schindler diese neue Ordnung nicht anerkennen, weshalb er vom Hof verjagt wird. Das Ende kommt abrupt und man hätte sich gewünscht, dass die angerissenen Ideen - zitiert wird immer wieder aus Martina Munks Buch "Ungeheuerliche Massen" - tiefergreifend verhandelt werden. Wer sind diese Menschen, die sich unter einer Maske und im Kollektiv in Tiere verwandeln? Was hat sie dazu getrieben? Wie geht es mit der Gruppe weiter? All das bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen, die die intensive Performance der sieben Akteurinnen und Akteure am Ende mit viel Applaus bedachten.
(S E R V I C E - "Faarm Animaal" nach George Orwell, Uraufführung im Schauspielhaus Wien. Regie: Tomas Schweigen, Bühne: Stephan Weber, Kostüme: Giovanna Bolliger. Mit Simon Bauer, Vera von Gunten, Jesse Inman, Clara Liepsch, Sophia Löffler, Sebastian Schindegger, Til Schindler. Weitere Termine: 22., 23., 25., 26. und 30. November sowie im Dezember. Infos und Tickets unter www.schauspielhaus.at)
Zusammenfassung
- Fragen wie diese verhandelt Schauspielhaus Wien-Direktor Tomas Schweigen unter dem Titel "Faarm Animaal", seiner letzten Inszenierung in seiner finalen Saison, die am Samstagabend Premiere feierte.
- Orwells "Farm der Tiere" kommt dabei nur mehr in Spurenelementen vor, vielmehr wird hier eine schräge soziale Utopie verhandelt.
- Sie wollen für immer die Schweine sein, "weil Schweine am intelligentesten sind".