Experten: Analoges Kunsterlebnis nicht zu ersetzen
Ein analoges Erlebnis, sei es im Konzertsaal, im Uni-Betrieb oder in einem Museum ist - derzeit - durch nichts Digitales zu ersetzen, darin waren sich Roboterpsychologin Martina Mara von der JKU, Chefdirigent Markus Poschner vom Bruckner Orchester Linz und Rektor Gerald Bast von der Universität für Angewandte Kunst Wien beim "JKU Corona Update" am Mittwoch einig.
Der Rektor der Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Meinhard Lukas, ergründete mit den drei Gästen das Thema "Analoge Sehnsucht". "Was uns ausmacht in den Grundfesten, lässt sich nicht so ohne weiteres in den digitalen Bereich übertragen", eröffnete Poschner. "Kunst ist eine Form der Begegnung und keine rein intellektuelle Aufgabe. Dafür gibt es keine Ersatzdroge", betonte er.
Eine zweigeteilte Tendenz erkannten Mara und Bast. Mara meinte, dass sowohl die Benefits aus den Erfahrungen mit neuen Medien stärker erkannt, aber auch das Haptische, Analoge stärker gesucht werde, Bast sah die physische Nähe als "unverzichtbar für Künstler aller Sparten". Die Sehnsucht nach dem Analogen sei dem Menschen inhärent, es bestehe aber die Gefahr, dass das Erlebnis "noch mehr" zum Luxus werde.
Die Orchester-Proben seien derzeit in einen fernen Raum geschoben, ohne das so wichtige Aufeinanderhören und -spüren, klagte Poschner. Das Veranstaltungsverbot sei klar, "jeder hat ein extremes Bedürfnis nach Sicherheit". Ob ein Konzert oder eine Opernaufführung unter Hygienevorschriften möglich sei, darauf wusste Poschner keine Antwort. 100 Leute auf der Bühne wie bei Opern seien derzeit nicht machbar. Bläser hinter Plexiglaswänden, Streicher mit Mundschutz, in der Enge eines Orchestergrabens? "Alle in Österreich, Deutschland, Europa sitzen da im selben Boot."
Solange kein Impfstoff gefunden sei, werde es keine Änderung geben, war Poschner realistisch. "Wir müssen neue Wege und Formate finden, die damit umgehen können." Wie der Chefdirigent die Aufzeichnung eines Konzerts sah Bast den virtuellen Museumsbesuch als "Abklatsch" ohne Spannung und Emotionalität.
"Die Museen müssen sich mit dem digitalen Element beschäftigen", forderte der Rektor der Angewandten. Die psychologischen, ökonomischen und politischen Zusammenhänge, die hinter einem Kunst-Objekt stehen, zusammenzuführen, sah er als Herausforderung an die Szene für einen virtuellen Besuch. Ähnlich ortete Mara fehlende Kreativität bei Versuchen, die analoge Wirklichkeit im Digitalen abzubilden.
"In diesem großen, weltumspannenden Feldexperiment mit dem Vorschlaghammer", wie Mara die aktuelle Situation bezeichnete, "merkt man, was funktioniert und was noch schlecht geht". Das positive Gruppenerlebnis etwa bei Live-Konzerten oder beim Tanzen könne momentan noch nicht durch Technik vermittelt werden.
Im physical distancing sah sie Nachteile - für Personen, die ganz allein daheim oder aus der digitalen Sphäre ausgeschlossen sind und besonders analoge Sehnsucht verspüren - aber auch Vorteile - für besonders Introvertierte und sozial eher Ängstliche. Diese Personen, die etwa auch digital lieber den Audio-Kanal allein ohne Video dazu nutzen, kämen mit der Kontaktreduktion besser zurecht.
Der Unterricht an der Angewandten in Wien sei zu 90 Prozent auf distance learning umgestellt und eine Notlösung, so Bast. "Wir machen es, weil es anders nicht geht, und werden für ein Semester durchhalten, aber länger wird es nicht machbar sein."
Für die Zukunft sah Bast neue Ausdrucksweisen in der Kunst und was die Gesellschaft betreffe, dass "Leute, die nicht nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit sehen, sondern die in der Lage sind Dinge miteinander zu verbinden, jetzt und in den nächsten Jahren überlebenswichtig für unsere Gesellschaft sind". Mara glaubte, dass viele Forscher die Krise zum Anlass nehmen, die Nachteile des Digitalen, etwa bei Video-Konferenzen, auszumerzen, und freute sich wieder auf analoge, dynamische Diskussionen mit ihren Studierenden.
Zusammenfassung
- "Alle in Österreich, Deutschland, Europa sitzen da im selben Boot."