Erfolgreiche Uraufführung: Jelineks "Angabe der Person"
Um den Jelinekschen Privatkosmos zu illustrieren, setzt Bühnenbildnerin Anja Rabes das Gerippe einer Wohnung auf eine schräge Ebene, die sich in den pausenlosen zweieinhalb Stunden die meiste Zeit im Kreis drehen wird. Gespielt wird allerdings weitgehend davor, direkt an der Rampe, nah am Publikum, das immer wieder gnadenlos vom Saallicht ausgeleuchtet und so selbst zum Akteur, zum Gegenüber der Autorin wird, die hier nichts weniger als eine "Lebenslaufbahn" ausbreitet, die vor wenigen Wochen auch in Buchform erschienen ist.
Den Rahmen bildet dabei eine Hausdurchsuchung der Steuerfahndung an ihrem Zweitwohnsitz München, die Assoziationen führen jedoch recht rasch zur Kritik an globalen Finanzströmen. "Man wird uns erwischen, das ist auch schon der ganze Inhalt", heißt es an einer Stelle trocken. Erwischt wurden auch einige von Jelineks jüdischen Vorfahren, die nicht rechtzeitig vor den Nazis flüchten konnten. Ihnen ist der zweite große thematische Block dieses Textes gewidmet.
Um den stetig dahinfließenden, mäandernden, sich immer wieder kräuselnden Text in Szene zu setzen, setzt Jossi Wieler auf Dreifaltigkeit: Jeweils eine gute halbe Stunde bestreiten Fritzi Haberlandt, Linn Reusse und Susanne Wolff ihre Monologe völlig allein - im Rücken lediglich Bernd Moss als meist stummer Jelinek-Ehemann, der sich abwechselnd über seine Kompositionen und die Steuerunterlagen beugt. Dass dieser breite Strom, in dem nicht nur Jelinek in Ich-Form spricht, sondern auch die Steuerfahnder, tatsächlich greifbar wird, ist der ungemein körperlichen Interpretation der Darstellerinnen zu verdanken, die allesamt mit Jelinek-Perücke, schwarzen Hosen, weißen Blusen und Strickpullunder auftreten und das Publikum immer wieder direkt ansprechen, herausfordern und nicht selten zum Lachen bringen.
Dass es sich bei "Angabe der Person" um weit mehr als einen beamtendeutschen Terminus handelt, wird in diesen großartigen Solo-Darbietungen immer wieder deutlich, wenn die Autorin ins Prahlen gerät: "Angeberei ist meine zweite Natur, gebe ich zu", heißt es an einer Stelle. Ihre selbst auferlegte Funktion als Sprachrohr der Unterdrückten und Anwältin der Ermordeten seziert Jelinek hier selbstkritisch humorvoll, die öffentliche Reaktion auf ihr Lebenswerk wird in einem kurzen Satz zusammengefasst: "Ich bin eine Art Windel für die Welt." Dazwischen bekommt alles und jeder sein Fett weg: Deutschland, Österreich, Anwälte, die Familie von Schirach, Steuerflüchtlinge und natürlich die Steuerfahnder selbst.
Erst im letzten Drittel des Abends kommen die drei Jelineks dann zusammen, sprechen die Sätze abwechselnd oder im Chor, während jede von ihnen eine Baby-Puppe wiegt und schließlich an der Bühnenrampe platziert. "Nach mir ist es unwiderruflich aus mit den Jelineks!" Irgendwann kommen die Worte nur mehr vom Band, das Mitsprechen gelingt nur mehr in Fetzen, bis alle die Bühne verlassen haben und es dem Ehemann übrig bleibt, die letzten Seiten dieses soeben fertiggeschriebenen Textes vorzutragen. Jelineks Ehemann - der Komponist Gottfried Hüngsberg - starb Anfang dieses Herbstes. Und so findet Jossi Wieler ein berührendes Schlussbild, das in seiner Intensität noch einmal für den gesamten Abend steht. Lang anhaltender Jubel für eine präzise, höchst lebendige Inszenierung.
(S E R V I C E - "Angabe der Person" von Elfriede Jelinek, Uraufführung am Deutschen Theater Berlin. Regie: Jossi Wieler, Bühne und Kostüme: Anja Rabes. Mit Fritzi Haberlandt, Bernd Moss, Linn Reusse und Susanne Wolff. www.deutschestheater.de)
Zusammenfassung
- Folgerichtig steht hier die Figur Elfriede Jelinek selbst auf der Bühne - und das gleich in dreifacher Ausführung.