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Ensemble Kontrapunkte feierte mit totem Dirigenten Jubiläum

Wie peinlich ist es, ein Jubiläumskonzert mit einem stotternden Dirigenten zu beginnen, der sich darüber beklagt, von der Komponistin keine Noten erhalten zu haben? Vermutlich ziemlich, wäre es nicht der Beginn der Feierlichkeiten zu 50 Jahren Ensemble Kontrapunkte im Musikverein im Rahmen von Wien Modern. Denn bei Gottfried Rabl und seiner Formation muss oder vielleicht besser darf man auf alles gefasst sein. Auch, dass der Dirigent vor der Pause tot zusammenbricht.

Da lässt sich der Maestro schon mal auf ein Lamento gegenüber dem Publikum ein, wenn Sânziana-Cristina Dobrovicescu in ihrem als Stück verkleideten Musikerwitz "Es fängt fast an" das so vorsieht, während am Ende die Orchestermitglieder ihre Notenblätter zerreißen. Oder Rabl erleidet beim Klassiker "Finale" von Mauricio Kagel so täuschend echt einen letalen Anfall, dass manche im Publikum helfend aufspringen - während das Orchester relativ unbeeindruckt weiterspielt und kurz Chopins Trauermarsch anklingen lässt.

Von konventionellen Formaten hat sich das Ensemble Kontrapunkte in seinen mittlerweile über 300 Konzerten im Musikverein nie beeindrucken lassen. Welchen Variantenreichtum man dabei entwickelte, unterstrich man auch am Sonntagabend beim feierlichen Bühnenjubiläum, das als kleines Schaukästchen eine breite Zusammenschau der mannigfaltigen Möglichkeiten moderner Konzertliteratur lieferte.

Dazu gehörte auch die heurige Fokuskomponistin des Musikvereins, Clara Iannotta, mit ihrem "Troglodyte Angels Clank By", das gänzlich elektronisch klingt, jedoch nur elektronisch verstärkte Instrumente beinhaltet, die allesamt isoliert vor sich hinwerkeln. Ganz anders kommt da das sprachlich in die Unverständlichkeit abstrahierte Liebeslied "Bouchara" des 1983 ermordeten Claude Vivier daher, bei dem die Sopranistin Ekaterina Krasko mit dem Orchesterapparat im großen Schönklang schwelgen darf.

Zum Ende hatten die Kontrapunkte mit Gavin Bryars "Jesus' Blood never failed me yet" ein Kultstück der 70er vorgesehen, das heute nur mehr selten gespielt wird, aber eine frappant kontemplative Macht entfaltet, wenn man sich darauf einlassen kann. Bryars hatte Anfang der 70er die Tonbandaufnahme eines singenden Obdachlosen als Loop herangezogen und diese mit einer Begleitung versehen. In mikroskopisch kleinen Schritten baut sich der Orchesterklang auf, um am Ende wieder zu entschwinden. Ein berührendes Ende für einen festlichen Abend, aber noch lange nicht für ein Ensemble. Denn der Abozyklus des Ensembles Kontrapunkte wird auch nach dem 50er im Musikverein fortgesetzt.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - www.wienmodern.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Das Ensemble Kontrapunkte feierte sein 50-jähriges Jubiläum im Musikverein mit einem unkonventionellen Konzert, das im Rahmen von Wien Modern stattfand.
  • Ein inszenierter Zusammenbruch des Dirigenten während Mauricio Kagels 'Finale' sorgte für Aufsehen, während das Orchester unbeeindruckt weiterspielte.
  • Das Programm umfasste Werke wie Clara Iannottas 'Troglodyte Angels Clank By' und Gavin Bryars' 'Jesus' Blood never failed me yet', die die Vielfalt moderner Konzertliteratur zeigten.