APA/APA/Volkstheater Wien/Marcel Urlaub

"Der Würgeengel" hebt im Volkstheater nicht wirklich ab

Luis Buñuels "Würgeengel" ist ein Klassiker des surrealen Films, eine Parabel auf Isolation, das Abscheiden von der Welt und eine abgehobene Elite. Und somit potenziell das Werk zur Zeit der Lockdowngesellschaft und dem Auseinanderdriften der Schichten. Oder man inszeniert die Vorlage für die Bühne so abstrahiert wie der deutsche Regisseur Sebastian Baumgarten bei seinem Debüt im Wiener Volkstheater. Visuelle Wucht steht einem ins Bezugslose abstrahierten Gehalt gegenüber.

Baumgarten fragmentiert die Metapher einer feinen Gesellschaft, die zur Party zusammenkommt und am Ende des Abends den Raum nicht verlassen kann, obgleich die Türen nicht verschlossen sind. Einzelne Szenen zwischen archetypischen Figuren werden aneinandergereiht, mittels Blitzlichtgewitter und dem Geräusch eines spulenden Projektors getrennt. Repetierte Musikschnipsel unterstützen diese Atmosphäre einer abgehobenen Grundkonstellation.

Die beeindruckende Spielfläche für dieses performative Geschehen hat dabei Biennale-Preisträger Tobias Rehberger gestaltet. Der Bildhauer schafft ein Spiegelkabinett mit hypnotischen Mustern, ein sich beständig in Bewegung befindliches Labyrinth, welches das Publikum disloziert, desorientiert. Lange benötigt das Auge, den Raum zu verorten. Ein Maschinenraum der exaltierten Begegnungen zwischen outrierenden Charakteren.

Was somit der Raum wie die Narration gänzlich unterlaufen, ist die klaustrophobe Atmosphäre der Buñuel-Vorlage. Ebenso wie die ursprünglich begrenzte Spielfläche in unendliche Splitter aufgebrochen wird, verlässt sich Baumgarten nicht auf den klaren Kern des "Würgeengels", sondern verschneidet diesen immer wieder mit Szenen aus dem Buñuel-Kurzstück "Hamlet".

Wer sind die Eingeschlossenen, wer die Ausgeschlossenen in diesem Setting? Wie ist eine Gesellschaft aufgestellt, die sich hinter Grenzen verbarrikadiert, den Rückzug in Vertraute dem Blick über den Tellerrand vorzieht? Diese Fragen stellen sich in dieser belebten Installation nicht. Selbst Buñuel-Bonmots wie "Muss man alles selber machen lassen?" verhallen hier weitgehend ungehört. Dieser Würgeengel ist schön anzusehen, hebt aber nicht wirklich ab.

(S E R V I C E - Luis Buñuel: "Der Würgeengel - El Ángel Exterminador" im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien. Regie: Sebastian Baumgarten, Bühne: Tobias Rehberger, Kostüm: Christina Schmitt. Mit Alvaro - Andreas Beck, Christiano/Agrifonte - Elias Eilinghoff, Raoul - Claudio Gatzke, Edmundo/Don Lupo - Frank Genser, Lucia/Leticia - Evi Kehrstephan, Rita/Julio/Margarita - Lavinia Nowak, Francisco/Julio/Hauptmann - Nick Romeo Reimann, Julio/Hamlet - Julia Franz Richter, Doktor Carlos/Julio/Mitridates - Uwe Rohbeck, Juana - Friederike Tiefenbacher. Weitere Aufführungen am 20. Oktober, am 2. und 12. November, am 18. Dezember, am 13. Jänner sowie am 20. April. www.volkstheater.at/produktion/933245/der-wuergeengel-el-angel-exterminador/

ribbon Zusammenfassung
  • Luis Buñuels "Würgeengel" ist ein Klassiker des surrealen Films, eine Parabel auf Isolation, das Abscheiden von der Welt und eine abgehobene Elite.
  • Oder man inszeniert die Vorlage für die Bühne so abstrahiert wie der deutsche Regisseur Sebastian Baumgarten bei seinem Debüt im Wiener Volkstheater.
  • (S E R V I C E - Luis Buñuel: "Der Würgeengel - El Ángel Exterminador" im Volkstheater, Arthur-Schnitzler-Platz 1, 1070 Wien.