Berliner Operetten-Gastspiel enttäuschte in Bad Ischl
Die Idee war sehr naheliegend. In der Operettenstadt Bad Ischl eine Operette in nicht traditioneller Form aufzuführen, den Komponisten und Ehrenbürger Oscar Straus, der hier jahrzehntelang regelmäßig Gast war, ab 1924 eine Villa beim Kurpark bewohnte, 1954 in Bad Ischl starb und am Ischler Friedhof ein Grab unweit jenes von Franz Lehár bekam, zu würdigen - all' das hat Elisabeth Schweeger genauso gereizt wie die selbstbewussten Frauenrollen und der Titel der 1932 in Berlin uraufgeführten Operette. "Eine Frau, die weiß, was sie will", das konnte augenzwinkernd auch auf die Intendantin bezogen werden, die mit ihrem Team ein eindrucksvolles Kulturhauptstadtjahr aufgestellt hat und dieses gestern im Kurpark auch gemeinsam mit drei Mitstreiterinnen persönlich eröffnete.
Doch von der so faszinierenden wie bedrückenden Geschichte der zwischen Operette und Musical angesiedelten "Musikalischen Komödie", die von Straus und Librettist Alfred Grünwald für die aus Wien stammende gefeierte Sängerin Fritzi Massary geschrieben wurde, und deren Uraufführung von Nazis mit "Juden raus"-Rufen gestört wurde, sodass Massary und ihr Mann, der Schauspieler Max Pallenberg, schon bald nach Österreich übersiedelten, bekam man gar nichts mit. Auch die berühmten Lieder, von "Jede Frau hat irgendeine Sehnsucht" bis "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben" entfalteten unlängst in Wien bei einer von Andreas Gergen eingerichteten charmanten Fritzi Massary-Revue des kleinen Vereins "Elfis Kulturkoffer" deutlich mehr Zauber als in der aus dem Jahr 2015 stammenden Inszenierung von Barrie Kosky, die im März im Ausweichquartier der Komischen Oper im Berliner Schillertheater Wiederaufnahme feiern wird.
"Sein Konzept: Virtuose Verknappung. Es geht so brillant auf, dass es das Berliner Publikum vom Hocker reißt", hieß es 2015 im "Deutschlandfunk". In Bad Ischl blieb das Publikum nicht nur sitzen - manche des Deutschen nicht mächtige internationale Gäste vertrieben sich lieber die Zeit mit ihrem Smartphone als den Ereignissen auf der Bühne zu folgen. Dagmar Manzel und Max Hopp überzeugten zwar vor einer simplen Stellwand mit rasanten Auf- und Abtritten, sodass die sie ständig und enervierend verfolgenden Scheinwerfer-Spots kaum nachkamen, sausten aber, begleitet vom Orchester der Komischen Oper Berlin unter der musikalischen Leitung von Adam Benzwi, ohne Schmelz, dafür mit Berliner Schnauze, durch die Partitur und die Geschichte der von Männern reihenweise umschwärmten Operettendiva Manon Cavallini.
Der Höhepunkt des Abends war daher nicht musikalisch. Jene Szenen, in denen Manzel und Hopp in Halb-Kostümen jeweils durch eine einfache Körperdrehung zwischen zwei Figuren wechselten und so mit sich selbst im Duett (oder sogar Tennis) spielten, hatten Witz und Verve - und passten hervorragend in ein Bad Ischl, das sich als Europäische Kulturhauptstadt ein neues Image geben will ohne das alte ganz zu zerstören. Wie sehr sich das Lehár Festival Bad Ischl künftig daran orientieren wird, bleibt abzuwarten. Heuer stehen ab 6. Juli Paul Abrahams "Märchen im Grand Hotel", "Der Bettelstudent" von Carl Millöcker und "Der Sterngucker" von Franz Lehár auf dem Programm.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Eine Frau, die weiß, was sie will" von Oscar Straus. Gastspiel der Komischen Oper Berlin im Kongress- und Theaterhaus Bad Ischl, Eine weitere Vorstellung heute, Sonntag, 18 Uhr.)
Zusammenfassung
- So abwechslungsreich, bunt und stimmungsvoll die Open-Air-Eröffnung der Kulturhauptstadt Bad Ischl im Kurpark war, so enttäuschend fiel die abendliche Gastspiel-Premiere im Kongress- und Theaterhaus aus. So mancher Gast fragte sich, ob die gebotene Schmalspurvariante der Oscar Straus-Operette "Eine Frau, die weiß, was sie will" tatsächlich eine würdige szenische Eröffnungsproduktion darstellte. Immerhin: Es gab reichlich Tempo und Klamauk - und nach 80 Minuten viel Applaus.