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Autor Gauß: "Dummheit ist eine Macht und gebiert Ungeheuer"

Der Essayist, Feuilletonist und Chronist Karl-Markus Gauß (70) hat am Tag nach der Nationalratswahl ein paar Fragen der APA schriftlich beantwortet. Leicht war es für ihn nicht, denn "mich trifft diese Wahl persönlich". Für den Salzburger besteht kein Zweifel daran, "dass die FPÖ die bürgerliche Demokratie selbst für jenes 'System' hält, das sie abschaffen möchte". Deswegen dürfe sie keiner Regierung angehören.

APA: Was bedeutet das Ergebnis emotional für Sie, politisch für das Land und praktisch für die Kultur?

Karl-Markus Gauß: Vor zwei Wochen geht das halbe Land unter, aber zur stärksten Partei wählen wir jene, die den Klimawandel leugnet. Das Wirtschaftsprogramm der FPÖ ist rabiat gegen die so genannten kleinen Leute gerichtet, aber diese jubeln Herbert Kickl zu. Mein Menschenbild hat mich genötigt, viele Jahre die Augen vor einer offenkundigen Tatsache zu verschließen: Dass die Dummheit eine Macht ist und Ungeheuer gebiert. Weil ich mir mein Menschenbild, mich frei von Verachtung zu halten, bewahren möchte, trifft mich diese Wahl persönlich.

APA: Welche Gründe sehen Sie dafür - FP auf Platz 1, starke Verluste für die bisherigen Regierungsparteien, Stagnation bei der SP?

Gauß: Die beiden einst großen Parteien haben zielgerichtet auf den Triumph der FPÖ hingearbeitet. Die ÖVP hat sich jahrelang die rechten Parolen der FPÖ zu Eigen gemacht und diese damit genötigt, immer extremistischer zu werden, um sich von ihrem bürgerlichen Plagiator noch zu unterscheiden. Und sie hat die Kellernazis (Copyright: Oskar Deutsch) in Landesregierungen gehievt und damit zu Demokraten nobilitiert. Warum sollen sie dann, gegebenenfalls, nicht gleich die Bundesregierung übernehmen?

Im Selbstzerstörungswerk der Zweiten Republik hat die ÖVP in der SPÖ einen zuverlässigen Koalitionspartner gehabt. Diese kämpft seit Jahren gegen sich selbst, vermutlich nicht nur wegen der Eitelkeit und dem Egoismus, sondern auch der Fantasielosigkeit wichtiger Funktionäre: Die können sich gar nicht vorstellen, was anderen sozialdemokratischen Parteien schon widerfahren ist, dass ihre Partei nämlich in der Bedeutungslosigkeit versinkt.

APA: Wie weit ist das "hausgemacht" oder Teil eines internationalen Trends - und wenn Letzteres: Macht das irgendetwas besser?

Gauß: Die digitale Formierung unserer Gesellschaft hat in allen Bereichen zu einer Art von Kurzatmigkeit, zu einer dauererregten Schnappatmung geführt, die Wut schießt schnell hoch, der Hass hat sein Medium gefunden. Die Digitalisierung erschwert es, auf Vernunft oder Aufklärung zu setzen und mit den besseren Argumenten noch gehört zu werden.

APA: Welche Regierung wünschen Sie sich nun angesichts dieser Konstellation?

Gauß: Da kein Zweifel daran bestehen kann, dass die FPÖ die bürgerliche Demokratie selbst für jenes "System" hält, das sie abschaffen möchte, darf sie keiner Regierung angehören. Man soll sich auch nicht überzeugen lassen, dass die Meinung von 29 Prozent der Wähler schwerer wiegt als die der 71 Prozent, die nicht von Fahndungslisten für politische Feinde und Meldestellen für unbotmäßige Lehrer schwärmen. Die Vorstellung einer Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos hat wenig Verführerisches. Sie wird nach Lage der Dinge vermutlich eine staatspolitische und demokratische Notwendigkeit sein, aber darf dann nicht nach deutschem Vorbild scheitern.

(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Karl-Markus Gauß, 70, äußert sich emotional zur Nationalratswahl und sieht die FPÖ als Bedrohung für die Demokratie.
  • Gauß kritisiert die ÖVP für die Übernahme rechter Parolen und die Integration von extremistischen Elementen in die Politik.
  • Er spricht sich für eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos aus, trotz ihrer geringen Attraktivität.