At Pavillon wagt mit zweitem Album einen Neustart
Viel ist passiert in den vergangenen Jahren. Nach der anfänglichen Euphorie mit etlichen Konzerten im In- und Ausland, bescherte der Band Corona wie vielen anderen Künstlern auch einen ordentlichen Einbruch. "2020 hat fast alles aufgehört, pandemiebedingt war nichts mehr möglich", betont Gitarrist Bernhard Melchart im APA-Interview. Was also tun in dieser Zeit? Die mittlerweile zum Trio geschrumpfte Gruppe nutzte sie für das Tüfteln an neuen Songs. "Als Band hat es uns weitergebracht", findet Drummer Paul Majdzadeh-Ameli positive Aspekte. "Es war schon eine reiche Erfahrung. Natürlich war die Pandemie nicht cool, aber wir haben viel gelernt."
Das Ergebnis sind zehn Stücke, die zwischen Rock, Funk und Pop changieren, vielfach ziemlich energetisch daherkommen, aber auch soulige Einsprengsel bereithalten. Ursprünglich gab es sogar noch bedeutend mehr Material. "Paul ist ganz wichtig, dass wir mindestens 300 Skizzen haben", lacht Melchart. "Wenn wir zehn Songs am Album wollen, brauchen wir das Vier- bis Fünffache, um auswählen zu können." An diesem "demokratischen Prozess" sei auch Produzent Roland Maurer beteiligt, der einen Blick von außen bereithalte. "Es ist gut, wenn du das hast, weil du schon sehr in deinem eigenen Film bist", unterstreicht Mataro. "Außerdem kannst du vorher nie sicher sein, was im Studio letztlich funktioniert. Es ist ein bisschen mystisch."
Musikalisch bringen die drei durchaus verschiedene Vorlieben mit. "Es gibt im Bandkontext verschiedene Filter", erklärt Mataro. Für ihn persönlich sei wichtig, Emotionen zu vermitteln, was er etwa durch unterschiedliche Gesangsstile versucht. "Das ist wie eine performative Arbeit. Letztlich wollen wir beim Hören eines Tracks nicht stolpern, es muss einen Fluss ergeben." Wann aber ist eine Nummer wirklich fertig? "Das ist die Kaiserfrage", schmunzelt der Musiker. "Man weiß es nicht. Wir haben auch eine Nummer auf der Platte, die hat nur eine Strophe, der Rest ist Refrain." Im Endeffekt müsse man probieren und sehen, was sich gut anfühle.
Die Arbeit am Album sowie die nun folgende Veröffentlichung ist für die Band in gewisser Hinsicht auch ein Neustart. "Absolut", nickt Mataro. "Nach dem Debüt hätten sich noch so viele Sachen ergeben können. Dann war aber diese Pause. Mittlerweile hat sich viel verändert." Die Musiker selbst seien älter geworden und hätten andere Perspektiven entwickelt. "Wir sind nicht mehr Mitte 20. Es fühlt sich an, als würden wir die Band neu starten, aber mit einem realistischen Zugang." Nicht zuletzt für ihn sei die Zeit seither wie ein "Realitycheck" gewesen. Zuerst der Traum von einer Musikerkarriere, und dann: Steuerberatung, Rechnungsadresse, Honorarnoten, Umsatzsteuernummern. "So ein Shit halt", lacht Mataro. "Dabei will ich nur Mucke machen!"
Dementsprechend sei auch der Plattentitel zu verstehen: "Jeder einzelne von uns hat eine ganz persönliche, individuelle Reise gemacht. Und jeder hat seine eigenen Prioritäten gesetzt", betont der Sänger. Würde man die Musik nur als Arbeit auffassen, dann hätte schon längst das Burnout angeklopft, wirft Majdzadeh-Ameli ein. Stattdessen müsse man mit viel Leidenschaft für seine Ziele kämpfen. "Ich bin dankbar für unsere Situation, weil du dann zu schätzen weißt, wenn du am Wochenende auf einem Festival spielst. Das kommt einfach nur durch unsere Handarbeit, und das ist ein wunderschönes Gefühl."
Für At Pavillon gibt es jetzt jedenfalls nur den Blick nach vorn. "Ich wünsche mir genug Inspiration, um gleich ans dritte Album zu denken", greift Mataro vor. "Es heißt jetzt am Ball bleiben. Schön, dass die Leute interessiert sind an uns. Aber dieses Interesse wollen wir aufrecht erhalten und weiter wachsen." Wer der Band dabei zusehen und zuhören möchte, hat am 18. Mai Gelegenheit dafür: Dann präsentiert man die neuen Songs im Wiener Werk live.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - www.atpavillon.com)
Zusammenfassung
- Das Debüt ist wohl für jede Band eine große Sache. Auch für die Wiener Indie-Formation At Pavillon, die vor vier Jahren "Believe Us" vorgelegt hat. "Ich hatte damals große Erwartungen und dachte, jetzt kann ich meinen Brotjob kündigen", erinnert sich Sänger Mwita Mataro. "Aber dem ist nicht so. Eine langfristige musikalische Karriere passiert nicht von heut auf morgen." Stimmt. Mit der Platte "Personal Development Deals" hat die Gruppe jetzt einen weiteren Baustein dafür.