APA/APA/Burgtheater/Tommy Hetzel

"Alles ist erleuchtet": Dunkle Zeiten im Akademietheater

21. März 2025 · Lesedauer 3 min

Anfang des Jahrtausends stürmte Jonathan Safran Foer mit seinem Debütroman "Alles ist erleuchtet" die internationalen Bestsellerlisten. Über 20 Jahre später hat der tragikomische Stoff rund um ein dem Erdboden gleichgemachtes Schtetl in der heutigen Ukraine nun seinen Weg auf eine österreichische Bühne gefunden. Ein ähnlicher Publikumserfolg wie einst wird die gleichnamige Inszenierung von Mina Salehpour am Wiener Akademietheater wohl kaum. Ein Besuch lohnt sich dennoch.

Der US-amerikanische Autor Foer schickt sein Alter Ego (gespielt von Seán McDonagh) auf eine Reise nach Osteuropa, um mehr über die Geschichte seiner Familie und damit wohl auch sich selbst zu erfahren. Nur mit einem Foto ausgestattet, das eine Frau zeigt, die im Zweiten Weltkrieg seinen jüdischen Großvater vor den Nazis gerettet haben soll, versucht er sich den einstigen Geschehnissen in der kleinen Stadt Trachimbrod anzunähern. Das gestaltet sich schwierig, existiert das Schtetl doch nicht mehr. Es wurde völlig zerstört, nachdem Nazis den allergrößten Teil der jüdischen Bewohner ermordet hatten.

Begleitet wird Foer vom jungen ukrainischen Dolmetscher Alex (Stefko Hanushevsky) mit Faible für die USA, dessen vorgeblich blinden, aber nichtsdestotrotz autolenkenden Großvater (Hans Dieter Knebel sprang kurzfristig für Branko Samarovski ein) und (Blinden-)Hund Sammy Davis Junior Junior (Sarah Viktoria Frick), der Kommandos getrost ignoriert, aber dafür umso enthusiastischer Foer bei Autofahrten bespringt.

Die deutsch-iranische Regisseurin belässt es aber nicht beim teils aberwitzigen Roadtrip des herrlich skurrilen Vierergespanns, das mit allerlei Situationskomik punktet. Salehpour räumt speziell der Lebensgeschichte von Foers (schätzungsweise) Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großmutter in Trachimbrod viel Raum ein. Auch ein späterer Briefwechsel von Foer und Alex über die Entstehung des Romans wird in den Zeitenmix eingewoben.

Jahrhundertsprünge ohne Aha-Moment

Was kompliziert klingt, ist es auch. Die meisten Sprünge über Jahrhunderte hinweg gelingen zwar erstaunlich flüssig, nur erschließt sich die Relevanz der langen Ausritte in die Vergangenheit bis zum Ende kaum. Die Erzählstränge greifen nie ineinander, auf den Aha-Moment wartet man vergeblich.

Schlüssiger fällt das Bühnenbild (Andrea Wagner) aus: Über hundert ziegelsteingroße schwarz-weiße Quader finden sich auf der ansonsten leeren Bühne. Wie Puzzlesteine der Vergangenheit werden sie auf der Suche nach Antworten zu Türmen aufgestapelt, wieder umgeworfen, sortiert, durchforstet und hin- und hergeschoben.

Beklemmende Monologe

Das kleine, gekonnt in verschiedenste Rollen schlüpfende Ensemble kann trotz großer Spielfreude nicht verhindern, dass die Spannung im Lauf der knapp über drei Stunden (samt einer Pause) nachlässt. Zwei Monologe, die unfassbare Gräuel in beklemmender Eindringlichkeit vor Augen führen, ziehen gegen Ende dann aber doch nochmals gehörig in den Bann. Auf gegenwärtige Kriegsverbrechen auf ukrainischem Boden geht die Inszenierung nicht ein. Daran denken muss man dennoch. Langer, etwas müder Applaus.

(Von Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - "Alles ist erleuchtet" nach dem Roman von Jonathan Safran Foer im Akademietheater als österreichische Erstaufführung. Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren, Regie: Mina Salehpour, Bühne: Andrea Wagner, Kostüme: Maria Anderski, Dramaturgie: Sarah Lorenz, Licht: Norbert Piller, Komposition: Sandro Tajouri; Mit: Sarah Viktoria Frick, Stefko Hanushevsky, Seán McDonagh, Hans Dieter Knebel (Ersatz für Branko Samarovski), nächste Aufführungen am 25. und 29. März, 13. und 23. April sowie 3. Mai, www.burgtheater.at)

Zusammenfassung
  • Der Roman 'Alles ist erleuchtet' von Jonathan Safran Foer wurde von Mina Salehpour am Wiener Akademietheater inszeniert, wobei die Aufführung über drei Stunden dauert.
  • Die Geschichte folgt dem Protagonisten auf einer Reise in die Ukraine, um seine Familiengeschichte zu erforschen, wobei das Bühnenbild aus über hundert schwarz-weißen Quadern besteht.
  • Trotz der Spielfreude des Ensembles lässt die Spannung im Verlauf der Aufführung nach, jedoch ziehen beklemmende Monologe über die Gräuel des Zweiten Weltkriegs das Publikum in den Bann.