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Albertina würdigt Jim Dine: Selbstporträt als Rabe oder Herz

Wer bin ich? Wie bin ich? Und wie bin ich geworden? "Es gibt keinen zweiten zeitgenössischen Künstler, der sich diese Fragen so oft und so radikal stellt wie Jim Dine", erläuterte Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder am Donnerstag bei der Präsentation der neuen Ausstellung des US-amerikanischen Künstlers, der nächstes Jahr seinen 90. Geburtstag feiert. "Sein ganzes Werk ist ein einziges Selbstporträt mit wiederkehrenden Sujets."

Egal ob Radierung, Holzschnitt oder Lithographie - die in der Schau versammelten 37 Werke aus mehr als sechs Jahrzehnten greifen immer wieder auf prägende Motive zurück: In Dines druckgrafischem Werk, aus dem sich 400 Arbeiten dank einer Schenkung in der Sammlung der Albertina befinden, dominieren Herzen, Vögel, Pinocchio und schließlich das Selbstporträt. Laut Schröder spiegelt jedes Bild "zutiefst autobiografische Momente" wider. So verarbeite der Künstler in seinen verschiedenen "Pinocchio"-Bildern immer wieder eine prägende Kindheitserinnerung, als er mit seiner Mutter den Disney-Film im Kino sah. Der Topos des Reifens einer Persönlichkeit habe ihn nicht mehr losgelassen.

Ebenso verhält es sich auch mit den "Tools": Egal ob Hammer, Säge oder Zange - Dine rückt auch immer wieder Werkzeuge ins Zentrum. Auch hier war das vom Großvater geführte Werkzeuggeschäft prägend, die Verarbeitung in seiner Kunst ein "Kommentar zu Kindheit", so Schröder. Diese Nähe wird im großformatigen Farbholzschnitt mit dem Titel "Asleep with his Tools Jim dreams" aus dem Jahr 2018 besonders greifbar. Auch die Bademantel-Serie, in der sich Dine in unterschiedlichen Posen ohne Kopf porträtiert, thematisiere seine Befindlichkeiten. Der immer wieder fälschlicherweise der Pop Art zugerechnete Künstler habe sich darauf verlegt, als die Darstellung des Ich in den 1960er-Jahren in der Kunstwelt abgelehnt wurde.

Auch das wiederkehrende Motiv des Raben ist in der Kindheit verortet, wie Schröder eine Anekdote aus Kindertagen Dines zum Besten gab. So sei ihm in einem Zoo einst ein sprechender Kolkrabe begegnet, der gesagt habe: "Ich bin Jim", was das Kind zutiefst verstört habe. Auch die Wahl der Mittel stammt aus frühen Tagen: Als Linkshänder mit Rechtschreibschwäche habe er es in der Schule schwer gehabt, erzählte der Künstler den versammelten Journalisten. Hier sei die Druckgrafik (Schröder: "Die Zeichnung ist das Direkteste, der Druck das Indirekteste, was es gibt") eine Befreiung gewesen. "Ich habe den Druck als Teenager entdeckt und nicht mehr damit aufgehört", so Dine. "Alles spiegelverkehrt zu sehen, ist ideal für mich."

Und so ist die Präsentation laut Co-Kuratorin Constanze Malissa eine "bedenkenswerte und nachdenkliche Ausstellung". Sie sei "keineswegs ein Resümee, sondern ein Entwicklungspfad", Dine sei nach wie vor ständig am Arbeiten. Für Klaus Albrecht Schröder ist es ein Abschied. Es ist seine letzte Ausstellung am Haus, das er mit Ende Dezember nach 25 Jahren an seinen Nachfolger Ralph Gleis übergeben wird.

(S E R V I C E - Ausstellung "Jim Dine" in der Tietze Galerie der Albertina. 8. November bis 23. März 2025. www.albertina.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Albertina zeigt 37 Werke von Jim Dine, die über mehr als sechs Jahrzehnte hinweg entstanden sind und zentrale Themen wie Herzen, Vögel und Selbstporträts behandeln.
  • Dine verarbeitet in seiner Kunst tief autobiografische Momente, darunter Kindheitserinnerungen an den Disney-Film Pinocchio und das Werkzeuggeschäft seines Großvaters.
  • Die Ausstellung, die vom 8. November bis 23. März 2025 läuft, ist die letzte unter der Leitung von Klaus Albrecht Schröder, der nach 25 Jahren die Albertina verlässt.