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Akademie-Rektor ist Co-Autor einer Gameshow im Volkstheater

Eine große Samstagabend-TV-Unterhaltungsshow auf der Theaterbühne? Die für kommenden Freitag im Volkstheater Wien angekündigte Premiere von "Du musst dich entscheiden! Die Gameshow für Österreich", die die großen philosophischen Streitfragen der Zeit ebenso auf die Bühne bringen soll wie unterhaltsame Satire, birgt viele Überraschungen. Dass der Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, Johan Frederik Hartle, zu den Autoren zählt, ist eine davon. Die APA hat nachgefragt.

APA: Herr Hartle - wie wird ein Akademie-Rektor zum Co-Autor einer Gameshow?

Johan Frederik Hartle: Akademie-Rektor ist ja weniger ein Beruf als vielmehr ein Amt. Das heißt, dass man auch Qualifikationen hat, die nicht alle in dem Amt aufgehen - wenngleich sie auch eine Voraussetzung für die Ausübung des Amtes sein mögen. Mein beruflicher Werdegang ist eng an das Schreiben und an die Philosophie gebunden. Sartre hat gesagt, dass intellektuelle Arbeit gerade darin besteht, sich in Dinge einzumischen, die einen nichts angehen. Für mich ist das nun plötzlich das Theater geworden. Das konkrete Zustandekommen der Gameshow-Idee hat dann viel mit einem besonderen Moment zu tun, den Kay Voges und ich während der Diskussion eines anderen Kooperationsprojekts gehabt haben. Da sind Ideen gesprudelt und Kay Voges hat dann spontan den Mut gehabt, die Sache ernst zu nehmen und zu sagen: Das machen wir.

APA: Fernsehshows haben das Aufwachsen der Baby-Boomer-Generation mitgeprägt. Wie war das bei Ihnen?

Hartle: Das stimmt. Das besondere Format der Gameshow gehört in eine historische Situation, in die geordneten Verhältnisse der 1980er-Jahre und davor. In den 80er-Jahren habe ich auch begonnen, Fernsehen zu schauen. Joviale Moderatoren mit sexistischen Gesten und schlechtem Humor.

APA: Ist das nicht eine ziemlich nostalgische Unterhaltungsform? Was macht die Beschäftigung mir Gameshows für die Gegenwart interessant?

Hartle: Absolut. Die in der ganzen Republik rezipierte Fernsehshow als ein gesellschaftliches Ordnungsprinzip, das ist ein schönes Beispiel für "das gute Alte", gegen das es, nach Brecht, gilt, "das schlechte Neue" zu verteidigen: ein viel komplexeres und diffizileres, von viel mehr Ambivalenzen und diverseren Identitätsmodellen geprägtes Diskursfeld. Das binden wir zugleich, in allen seinen problematischen Zügen, in die Gameshow ein. In unserem Stück wird die Spielshow zugleich auf die Schiller'sche Idee des Spiels bezogen, das uns lehrt, mit gesellschaftlichen Erfordernissen umzugehen. Und natürlich ist diese Konfrontation von High und Low auch ein Versuch, verzerrte Formen des gesellschaftlichen Diskurses zu paraphrasieren.

APA: Sie haben einen akademischen Hintergrund und keine Theatererfahrung. Wie war Ihr Einstieg in diese andere Welt? Haben Sie Feuer gefangen?

Hartle: Ich habe das Theater als eine wunderbare Arbeitssituation kennen gelernt und bin sehr dankbar dafür. So ein Ensemble ist ja zugleich eine spontane Gemeinschaft aus sehr unterschiedlichen und eben auch naturgemäß sehr ausdrucksstarken Persönlichkeiten. Die kurzen Stippvisiten in dieses Milieu habe ich als sehr verheißungsvoll empfunden. Zudem macht es mir in der Tat große Freude, szenisch zu denken. Das bietet auch eine Herausforderung für andere Denk- und Gestaltungsprozesse.

APA: Wie hat man sich Ihre Mitarbeit konkret vorzustellen? Oder, um es mit einem Zitat aus der jüngeren österreichischen Geschichte auszudrücken: Was war Ihre Leistung?

Hartle: Formal gesprochen: Ich bin Co-Autor des Stücks und habe vor allem einen gewissen philosophischen sowie historisch-politischen Ton zu verantworten.

APA: Gibt es etwas, das Sie von diesem Ausflug als Erfahrung in den akademischen Diskurs in Ihre sonstige Arbeit als Philosoph und Unileiter mitnehmen?

Hartle: Das wäre toll, wenn die szenische und gestische Kraft, die ich im Theater auch als Erkenntnisinstanz kennen gelernt habe, uns in Zukunft auch an der Akademie als Instanz zur Problemlösung unterstützen könnte. Ich denke jedenfalls neuerdings stärker in solchen Kategorien. Mal sehen, wohin das führt.

APA: Und wie gehts an der Akademie der bildenden Künste weiter? Was sind die aktuellen Herausforderungen?

Hartle: Die aktuellen Herausforderungen sind weit von denen entfernt, die das Stück bedeutet hat. Wir arbeiten gerade an der strategischen Ausrichtung für die kommenden Jahre. Dabei steht vor allem die zeitgemäße praxisorientierte Ausbildung der Studierenden im Fokus sowie Nachhaltigkeits- und Digitalitätsagenden. Auch in der Profilierung von Konservierung und Materialwissenschaften wird sich einiges tun, und in der Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum wollen wir neue Akzente setzen. So laden wir zum Beispiel am 12. Oktober zu einer Auseinandersetzung mit unserem historischen Erbe auf den Schillerplatz ein. Außerdem freue ich mich über spannende neue Professor_innen wie Alice Creischer und Andreas Siekmann, die den ursprünglich von Ashley Hans Scheirl geleiteten Fachbereich für Kontextuelle Malerei übernehmen werden.

APA: An der Angewandten tritt in wenigen Wochen die Innovationsforscherin Petra Schaper Rinkel offiziell ihr Rektorat an. Können Sie schon abschätzen, was das für die Akademie bedeutet? Wird das zur gegenseitigen Profilschärfung beitragen? Gibt es künftig mehr Zusammenarbeit oder mehr Konkurrenz?

Hartle: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Petra Schaper Rinkel, die eine hochkompetente Innovationsdenkerin ist. Und natürlich ist diese Situation auch eine, in der Kooperationen und Arbeitsteilungen zwischen den beiden Kunstuniversitäten neu verhandelt werden können. Ich sehe das als eine wunderbare Gelegenheit.

(Die Fragen stellte Wolfgang Huber-Lang/APA per Mail)

(S E R V I C E - "Du musst dich entscheiden! Die Gameshow für Österreich" von Johan Frederik Hartle, Kay Voges und Ensemble, Mitarbeit Text: Alexander Kerlin. Regie: Kay Voges, Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch, Kostüm: Mona Ulrich, Komposition: Fiete Wachholtz, Video Art: Max Hammel. Mit Andreas Beck, Elias Eilinghoff, Hasti Molavian, Anna Rieser, Claudia Sabitzer, Anke Zillich u.a. Uraufführung im Volkstheater Wien am 15. September, 19.30 Uhr, Nächste Vorstellungen: 5., 15. und 29. Oktober. www.volkstheater.at)

ZUR PERSON: Geboren am 17. Juni 1976 in Hannover, schloss Hartle an der Uni Frankfurt ein Masterstudium in Philosophie und Politikwissenschaft ab und promovierte 2005 in Philosophie an der Uni Münster zum Thema "Der geöffnete Raum. Zur Politik der ästhetischen Form". Als Postdoc war er etwa an der Hebrew University in Jerusalem und der Universita Roma Tre tätig. Er hatte u.a. an der Kunstakademie Münster, an der Universität von Amsterdam, an der China Academy of Intermedia Art in Hangzhou und an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe gelehrt, ehe er 2019 an der Akademie der bildenden Künste Wien als Nachfolger von Eva Blimlinger bestellt wurde. 2022 wurde er für eine zweite Amtszeit wiedergewählt und bleibt damit bis Ende September 2027 an der Spitze der Kunstuniversität.

ribbon Zusammenfassung
  • Dass der Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, Johan Frederik Hartle, zu den Autoren zählt, ist eine davon.