"Adern": Blasses Stück mit starken Figuren in Klagenfurt
Es ist eine unsentimentale Entscheidung, die 1953 die alleinerziehende Mutter Aloisia (beeindruckend patent: Raphaela Möst) und der verwitwete fünffache Vater Rudolf (mit sanftem Charme: Axel Sichrovsky) treffen: Sie heiraten, um sich gegenseitig abzusichern und dem Gerede zu entgehen. Die raue Welt der Bergleute, die in kurzen Szenen skizziert wird, bildet den Hintergrund der sich langsam entwickelnden Liebe zwischen den beiden. Der Schatten eines hässlichen Bergungetüms (Bühne: Stefan Brandtmayr), auf dem Regisseur Georg Schmiedleitner die Akteure halsbrecherisch herumturnen lässt, liegt über dem Geschehen und lässt dunkle Geheimnisse erahnen. Geredet wird darüber nicht, das Verschweigen und Verdrängen ist Prinzip. "Es ist schon gut, dass wir hier so vergessen werden", heißt es einmal. Doch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bleibt in "Adern" aus.
Während Rudolfs Lungenkrankheit schlimmer und seine Albträume nicht besser werden, ersäuft sein Freund, der Bergmann Danzel (Alexander Jagsch) das Trauma der Vergangenheit im Alkohol. Zeitsprünge raffen die Geschichte bis in die 70er-Jahre, Radio und Fernsehen kommen ins Haus, ein Urlaub am Wörthersee, ein erstes Enkelkind markieren die verrinnenden Jahre.
Die Atmosphäre der düsteren Bilder wird durch die Musik von Manfred Plessl stimmig eingefangen, dunkle Akkorde illustrieren am Ende einen Trauermarsch, denn die Geschichte geht nicht gut aus.
Zurück bleiben Aloisia, die ihr Leben so pragmatisch gemeistert hat, und der Berg, der immer noch die Dorfbewohner beherrscht. Sprachlich fein austariert zwischen Hochdeutsch und Mundart sind die Dialoge, traumartig einzelne Sequenzen mit überdimensionalen Kinderköpfen und einer allegorischen Figur (Felix Rank als Berg). Für die klaustrophobische Atmosphäre dieser Lebenssituation könnte man sich ein weniger plump-plakatives Bühnenbild wünschen. Dennoch lässt sich das Ensemble von Regisseur Schmiedleitner souverän durch die rund eineinhalb pausenlosen Stunden des etwas blassen Volksstückes leiten, das vom Premierenpublikum freundlich beklatscht wurde.
(Von Karin Waldner-Petutschnig/APA)
(S E R V I C E - "Adern" von Lisa Wentz. Mit: Raphaela Möst (Aloisia), Axel Sichrovsky (Rudolf), Doris Hindinger (Hertha), Alexander Jagsch (Danzel), Julia Mikusch (Theres), Felix Rank (Mann - Berg); Georg Schmiedleitner (Regie), Stefan Brandtmayr (Bühne), Cornelia Kraske (Kostüme), Manfred Plessl (Musik), Walter König (Licht), Hans Mrak (Dramaturgie), Kinderchor der Singakademie Carinthia; weitere Vorstellungen: 24., 28. Februar, 5., 7., 13., 15., 23. März 2024, 19.30 Uhr; www.stadttheater-klagenfurt.at)
Zusammenfassung
- 'Adern', ein preisgekröntes Stück von Lisa Wentz, erzählt eine Geschichte vor dem Hintergrund eines Bergstollens, ohne die Vergangenheit direkt anzusprechen.
- Hauptdarsteller Raphaela Möst und Axel Sichrovsky beeindrucken in ihren Rollen als pragmatisch heiratendes Paar in einer raue Bergarbeiterwelt.
- Die Aufführung in Klagenfurt wurde trotz Kritik am Bühnenbild vom Publikum freundlich aufgenommen; die Handlung erstreckt sich über Jahrzehnte bis in die 70er-Jahre.